Wenn der Vorhang unten bleibt
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Millionenverluste:Wenn der Vorhang unten bleibt

Vier von fünf Veranstaltungen abgesagt
Wenn der Vorhang unten bleibt

Der Zusammenbruch der Veranstaltungsbranche ist in vollem Gang. Tausende Firmen sind betroffen, Millionenverluste garantiert.
Publiziert: 07.03.2020 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2020 um 15:24 Uhr
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Die Schweiz steht still. Konzerte, Messen, Sportevents – nichts geht mehr. «Der Schaden ist riesig», sagt Marco Engel (58), Chef der Frühlingsmesse Higa in Chur GR. Dort haben sich 160 Aussteller auf 30’000 Besucher vorbereitet – vergeblich. Die Higa fällt aus.
Foto: Rachel Van der Elst / GRHeute
Lukas Lippert, Reza Rafi und Danny Schlumpf

Die Schweiz in Schockstarre: Konzerte, Messen, Sportevents – nichts geht mehr. Das bundesrätliche Verbot von Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern legt das öffentliche Leben lahm. Das Coronavirus zieht eine Schneise der wirtschaftlichen Verwüstung durchs Land. Tausende Firmen sind betroffen, Millionenverluste garantiert.

80 Prozent der geplanten Veranstaltungen in der Schweiz wurden abgesagt, so eine Schätzung des Schweizerischen Verbands technischer Bühnen- und Veranstaltungsberufe (SVTB). Präsident Jörg Gantenbein: «Es wurde eine Absagewelle ausgelöst. Mittlerweile werden bereits Aufträge bis Mitte 2020 storniert.»

«Der Entscheid der Stadt war richtig»

«Der Schaden ist riesig», sagt Marco Engel (58), Chef der Frühlingsmesse Higa in Chur GR. 160 Aussteller hatten sich auf 30'000 Besucher vorbereitet – vergebens: Die Higa fällt aus. Engel rechnet mit einem Verlust von meh­reren Hunderttausend Franken. Am 21. März hätte es losgehen sollen. Die Stadt Chur sagte die Messe ab, obwohl das Veranstaltungsverbot vorläufig nur bis 15. März gilt. «Der Entscheid der Stadt war richtig», sagt Engel. «Das Verbot wird zweifellos verlängert.»

Für Adrian Hug (37) aus Näfels GL wäre das eine ­Katastrophe. «Dann stehen wir bald vor einem Scherbenhaufen», sagt der Geschäftsleiter der Standbau Hug AG. Der Ausfall der Higa ist nicht der einzige Schlag für den Messe bauer. Es hagelt reihenweise Absagen. «Im März haben wir acht Aufträge verloren, vier Projekte wurden verschoben.» Das Material ­dafür hat die Firma längst produziert.

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«Die ganze Kette blutet»

«Alle Beteiligten müssen mit Verlusten rechnen», sagt Hug. «Vom Veranstalter über die Standbauer bis zu den Ausstellern – die ganze Kette blutet.» Für seine Firma rechnet er mit ­einem Verlust von einer halben Million Franken – wenn sich die Situation rasch wieder normalisiert. Und wenn nicht? «Dann müssen wir auf ein Wunder hoffen.» Für seine 18 Angestellten hat Hug bereits Kurzarbeit beantragt.

Nicht nur Grossveranstaltungen fallen ins Wasser. Landauf, landab sagen ­Unternehmen Meetings, Kurse, Veranstaltungen und Generalversammlungen ab. Credit Suisse hat sämtliche Anlässe mit mehr als 30 Personen gestrichen. Für den Veranstaltungstechniker Smartec aus Aarau ist diese Entwicklung desaströs. «Vor einer Woche hatten wir noch volle Auftragsbücher», sagt Geschäftsleitungsmitglied Marc Probst (44). Nun herrsche kompletter Stillstand. «Unsere 60 Mitarbeiter haben nichts mehr zu tun.» Auch Smartec hat Kurz­arbeit angesetzt. «Aber das ist kein dauerhaftes Heilmittel.»

Neue Zahlen deuten das Ausmass der Verheerung an. Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer von SMPA, dem Verband der professionellen Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveranstalter, sagt: «Wir rechnen momentan damit, dass ­unsere Mitglieder seit dem ­Erlass des Bundesrats insgesamt zwischen 1,5 und zwei Millionen Franken Umsatzeinbusse pro Tag haben.»

«Es herrscht Alarmstufe Dunkelrot.»

Betroffen sind unzählige KMU. Zehn Firmen mussten bereits Mitarbeiter entlassen. «Wenn die Krise ­anhält, gehen viele von ihnen bankrott», sagt Eugen Brunner (47), Präsident des Branchenverbands Expo Event. «Es herrscht Alarmstufe Dunkelrot.» Die 157 Mitglieder des Verbands haben bereits 150 Millionen Franken Verlust erlitten.

Brunner fordert eine Beteiligung der Branche am runden Tisch des Bundesrats. Selbstverständlich habe die Gesundheit Prio­rität: «Aber es steht eine ganze Branche vor dem Abgrund. Wir brauchen Unterstützung, sonst ist .» Viele Firmen hätten Kurzarbeit eingegeben und die Bewilligung innert weniger Tage erhalten. «Aber es braucht weitere Massnahmen.»

Am Donnerstag traf sich SVP-Bundesrat Guy Parmelin (60) mit Vertretern der Kantone und der Sozialpartner. Mit dabei: Christoph Brutschin (62), SP- Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. «In der Analyse waren wir uns einig», sagt der Präsident der Volkswirtschaftsdirektoren- konferenz: «Das Veranstaltungsverbot trifft neben der Hotellerie und den Gastrobetrieben auch die Eventbranche hart.»

Virtuelle Veranstaltungen

Vor allem gehe es jetzt darum, Insolvenzen zu ­verhindern. Neben der Kurzarbeit nennt der Volkswirtschaftsdirektor weitere Möglichkeiten: «Auf kan­tonaler Ebene könnte das etwa die Stundung von Rechnungen gewisser Leistungsbezüge sein.» Er denkt auch an Bürgschaften. «Die Kantone würden für Kredite haften, die die Banken Unternehmen gewähren, die jetzt in Schwierigkeiten geraten.»

Von der Messe bis zur GV, vom KMU bis zum Konzern – das Veranstaltungsverbot trifft Firmen in der ganzen Schweiz. Der Tech-Gigant SAP führt seine Konferenz «SAP Now» am kommenden Dienstag und Mittwoch in Basel trotzdem durch. Mit 55 Referenten, die vor 3500 Gästen sprechen werden.

«Wir wollten uns mit der Situation nicht abfinden», sagt Dirk Scherble (47), Marketing-Direktor bei SAP Schweiz. Und was ist mit dem Verbot? «Wir haben in kurzer Zeit umgeschaltet und führen die Veranstaltung jetzt virtuell durch.» Die Konferenz wird auf eine digitale Plattform verlegt, die Besucher können die Referate per Live-Stream verfolgen.

Die Higa-Zelte stehen – doch die Churer Messe findet nicht statt

30'000 Besucher hat die Frühlingsmesse Higa in Chur ab 21. März erwartet. Nun hat die Stadt die Veranstaltung abgesagt.

30'000 Besucher hat die Frühlingsmesse Higa in Chur ab 21. März erwartet. Nun hat die Stadt die Veranstaltung abgesagt.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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