Vier Unfälle in zwei Tagen
Sekundenschlaf-Epidemie in der Schweiz

Was ist mit den Schweizer Autofahrern los? Am Wochenende krachte es viermal, weil Autofahrer kurz einnickten.
Publiziert: 29.04.2015 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:35 Uhr
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Am Samstag krachte ein 62-Jähriger mit seinem BMW in Bottmingen in einen Twingo. Unfallursache: Sekundenschlaf.
Foto: Kapo BL

Dieses Wochenende machten Sekundenschläfer die Strassen unsicher. Am Samstag nickte in Bottmingen BL ein BMW-Fahrer (62) ein und krachte in einen entgegenkommenden Renault Twingo. Seine Beifahrerin (84) sowie die Beifahrerin (27) und ein Bub (11) im anderen Auto wurden verletzt.

Am Sonntag fuhr ein Fiat-Fahrer (20) auf der A3 bei Möhlin AG auf ein anderes Auto auf. Wieder vermutet die Polizei einen Sekundenschlaf. Drei Personen wurden leicht verletzt.

Im Kanton Graubünden gab es am Sonntagnachmittag gleich zwei Sekundenschlaf-Unfälle. Eine Autofahrerin (82) kam zwischen St. Moritz und Pontresina von der Strasse ab und stürzte ein Bord hinunter. Zwischen Zizers und Trimmis krachte eine 33-Jährige mit dem Auto in einen Baustellencontainer.

Gefahr wird unterschätzt

Vier Sekundschlaf-Unfälle in zwei Tagen. Was war bloss los am Wochenende mit den Autofahrern? Ist die Frühjahrmüdigkeit schuld?

Der Versicherer AXA Winterthur warnte erst kürzlich davor. Die Umstellung von kalte auf warme Temperaturen würden den Körper Kraft kosten. Erweiterte Blutgefässe und fallender Blutdruck können dann zu Schwindelgefühl, verlangsamten Reaktionen und Unachtsamkeit führen.

Doch die Polizeisprecher der betroffenen Kantone gehen nicht davon aus, dass die Frühjahrsmüdigkeit schuld ist an den vielen Sekundenschlaf-Unfällen. Sie glauben eher an Zufall.

Was allerdings klar ist: Der Sekundschlaf wird von den Autofahrern unterschätzt. «Viele denken, dass sie schon noch durchhalten», sagt Anita Senti, Sprecherin der Kantonspolizei Graubünden. Und auch Roland Pfister von der Kantonspolizei Aargau stellt fest: «Nach einem Unfall sagen uns die Leute oft, dass sie gemerkt hätten, dass sie müde seien und dass sie zum Beispiel extra das Fenster runtergelassen hätten.»

Doch damit sei es nicht getan. «Wer Anzeichen für einen bevorstehenden Sekundenschlaf hat, muss sofort anhalten und einen Powernap machen», sagt Pfister.

Autobahnen besonders gefährlich

Ein Muster gibt es laut Pfister nicht. Es könne zu jeder Tag- und Nachtzeit passieren und auch unabhängig von Wochentagen. Ihm ist allerdings aufgefallen, dass es oft auf der Autobahn zu Sekundenschlaf-Unfälle kommt.

«Vielleicht liegt es daran, dass die Fahrt auf der Autobahn monoton ist und wenig Herausforderungen bietet, dazu fahren viele mit Tempomat», sagt Pfister.

Auch im Kanton Graubünden nicken die Autofahrer oft auf der Autobahn ein. «Oft sind es Leute, die auf dem Heimweg von den Ferien sind und deshalb schon lange unterwegs sind», sagt Anita Senti.

Hohe Dunkelziffer

Ihr Aargauer Kollege Pfister glaubt, dass es noch viel mehr Unfälle wegen Sekundschlafs gibt, als angenommen. «Die Dunkelziffer ist wohl hoch», sagt er. Einerseits weil die Verunfallten nicht immer einen Sekundenschlaf angeben, weil sie wissen, dass sie danach den Fahrausweis los sind, andererseits weil sich ein Sekundenschlaf zum Beispiel bei tödlichen Unfällen gar nicht rekonstruieren lässt. (sas)

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