Verspätete Doppelstöcker von Bombardier
Haben die SBB vorschnell Züge ausrangiert?

In den vergangenen fünf Jahren wurden 171 alte Reisezugwagen aussortiert. Jetzt treten die SBB auf die Bremse. 2019 sollen «nur vereinzelt» Fahrzeuge entsorgt werden.
Publiziert: 23.03.2019 um 23:42 Uhr
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Die Bombardier-Züge sind noch nicht zuverlässig genug.
Foto: ZVG
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die neuen Fernverkehrs-Doppelstockzüge von Bombardier fahren noch immer nicht so zuverlässig wie gewünscht. Die SBB setzen sie daher nur zurückhaltend ein, auf der Paradestrecke Zürich–Bern überhaupt nicht.

Doch der Druck nimmt zu. Im Hinblick auf einsatzfähiges Rollmaterial fahren die SBB langsam, aber sicher auf den Felgen. Kein Wunder: Der um Jahre verspätete Fernverkehrs-Doppelstockzug (FV-Dosto) soll dereinst rund ein Viertel der SBB Fernverkehrsflotte ausmachen. Wann es so weit ist, steht aber nach wie vor in den Sternen.

Vor diesem Hintergrund überraschen neue Rollmaterial-Zahlen der SBB, die seit dieser Woche öffentlich sind. Im vergangenen Jahr wurden 40 Reisezugwagen ausrangiert. Seit 2014, als ein Teil der FV-Dosto-Verspätung bereits bekannt war, wurden insgesamt gar 171 Reisezugwagen aussortiert.

Fahrzeuge am Ende der Lebensdauer

Da liegt die Frage auf der Hand: Haben die SBB altes Rollmaterial vorschnell stillgelegt, weil sie die Verspätungen und Probleme beim FV-Dosto lange Zeit unterschätzten?

Die SBB dementieren dies. «Die Ausrangierung und fachgerechte Entsorgung von Fahrzeugen erfolgt nach einem langfristigen Plan», sagt Sprecher Christian Ginsig.

Viele der ausrangierten Fahrzeuge seien schlicht am Ende ihrer Lebensdauer, weit über 40 Jahre im Einsatz und nicht mehr ­sanierbar.

SBB sind sich keiner Fehleinschätzung bewusst

Des Weiteren könnten Fahrzeuge älterer Bauart auf vielen Strecken auch aus betrieblichen Gründen nicht mehr eingesetzt werden. «Zum Beispiel dürfen Wagen, bei welchen sich die Fenster öffnen lassen, nicht auf Hochgeschwindigkeits- oder gewissen Tunnelstrecken verkehren.»

Mit anderen Worten: Die SBB sind sich keiner Fehleinschätzung bewusst. «Hätten wir den verspäteten Einsatz der Bombardier-Züge schon vor einem Jahr erkennen können, so hätten die SBB wohl eine gute Handvoll Fahrzeuge noch in der Flotte belassen können, mehr wäre aber beim besten Willen nicht möglich gewesen», so Ginsig.

Walter von Andrian, Chefredaktor der «Schweizer Eisenbahn-Revue», sagt dazu: «Eisenbahnwagen müssen alle paar Jahre revidiert werden. Dann ist jeweils zu entscheiden, ob die nötigen Arbeiten wirtschaftlich noch sinnvoll sind.»
Stünde genügend neues Rollmaterial zur Verfügung, rangiere man jene Wagen aus, die den ge­stiegenen Anforderungen nicht mehr entsprächen oder völlig verrostet seien. «Es gab jedoch Fälle, in ­denen hochwertiges Roll­material vorschnell ins Ausland verkauft wurde», so von Andrian.

In Sachen Ausrangierung wird auf die Bremse getreten

So oder so: Aufgrund der nicht enden wollenden Prob­leme bei der Ablieferung der Bombardier-Doppelstockzüge treten die SBB nun in Sachen Ausrangierung auf die Bremse. Ginsig: «Die knappe Verfügbarkeit berücksichtigen wir selbstverständlich bei der Frage der Ausrangierung. Im Jahr 2019 werden vo­raussichtlich nur vereinzelt Fahrzeuge entsorgt.»

Bahnexperte Walter von Andrian begrüsst dieses Vorgehen: «Wenn die SBB nun Wagen mit abgefahrenen Rädern zwar abstellen, aber nicht sofort verschrotten, schaffen sie eine Not­reserve. Sollte sich die ­Inbetriebnahme neuer Züge verzögern, können sie einige abgestellte Wagen nochmals herrichten.»

Damit würden die SBB zu einer Praxis zurückkehren, die früher gang und gäbe war.

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