Jeder zehnte Anruf bei der Anlaufstelle für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kescha) dreht sich um Erwachsene, die mit ihren behördlich eingesetzten Beiständen nicht zufrieden sind. «Wenn jemand plötzlich in Geldfragen dreinredet, will das ihr Stolz oft nicht zulassen», sagt Präsident Guido Fluri. Die Kescha berät Menschen, die von Massnahmen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) betroffen sind und versucht, emotional geladene Situationen zu entschärfen.
Auch bei einem Fall wie jenem von Karl Rechsteiners Vater, dessen Land von der Beiständin verkauft wurde, um seine Heimkosten zu decken, hätte die neutrale Anlaufstelle Hilfe leisten können. Die Rechsteiner-Erben waren erbost darüber, dass das Land angeblich viel zu günstig veräussert wurde – und überdies ohne Absprache mit ihnen (BLICK berichtete).
Manche Berufsbeistände sind überfordert
«Wir nehmen uns viel Zeit für die Gespräche mit den Angehörigen», sagt Fluri. «Manche Beistände sind überfordert, haben bis zu 100 Fälle gleichzeitig. Das ist zu viel! Wenn sie sich nur alle paar Wochen um eine Angelegenheit kümmern können oder nur noch schriftlich kommunizieren, wird es schwierig.» Er verweist auf Deutschland, dort gebe es eine Beschränkung auf 50 Fälle pro Berufsbeistand.
Guido Fluri kennt den Fall aus der Ostschweiz nicht, weist aber darauf hin, dass man ihn differenziert betrachten sollte: «Ich glaube nicht, dass Beistände absichtlich unter dem Marktwert Objekte veräussern. Sie müssen korrekt vorgehen und sich absichern, sonst sind sie schadenersatzpflichtig.»
Denn: Ein Beistand müsse den Wert von einem Experten schätzen lassen. Er fügt an: «Sie sind ja keine Immobilienspezialisten.» Wenn bei einem Verkauf nicht der beste Preis erzielt wird, «dann hat der Beistand einen Fehler gemacht». Fluri wirft aber ein, dass es vielleicht auch Belastungen oder Dienstbarkeiten gab, welche die Verkäuflichkeit einschränkten.
Hochstrittige Konfliktsituationen
«Es gibt Fälle, in denen sich Erben verstreiten, weil die einen Geschwister ans Geld wollen, während die anderen Kinder die Versorgung der Eltern sichern möchten. Man darf nicht vergessen, dass es meist hochstrittige Konfliktsituationen sind, in denen die Kesb vermitteln muss.» Das sei nicht einfach. «Aber meistens machen die Beistände ihre Sache sehr professionell und im Interesse der Betroffenen», sagt Fluri.
Trotzdem fordert die Kescha, dass mehr ehrenamtliche Personen aus der Wohngemeinde oder dem familiären Umfeld Beistandschaften übernehmen sollten. Als Gegengewicht der Berufsbeistände der Kesb. Heute werden Private erst in 30 Prozent der Fälle eingesetzt. Das Ziel: 40 bis 50 Prozent. Denn, so Fluri: «Ehrenamtliche haben mehr Zeit und zudem schon eine Vertrauensbasis, die sich ein Berufsbeistand erst erarbeiten muss.»
Rund um die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) haben sich mehrere Organisationen formiert. BLICK erklärt, was hinter den Abkürzungen steckt.
Kesb: Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde regelt seit 2013 den Schutz von Menschen, die ihre Eigenverantwortung nicht wahrnehmen können. Klienten sind oft Minderjährige, Demente, psychisch Kranke oder Suchtkranke. Seit ihrer Gründung steht die Organisation in der Kritik, sich zu sehr in die Privatsphäre der Bürger einzumischen.
Kescha: Die Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz ist eine unabhängige Beratungsstelle für alle, die mit der Kesb im Clinch sind. Letztes Jahr hat die Beratungsstelle nach eigenen Angaben fast 1100 Personen beraten, die mit der Arbeit der Kesb nicht zufrieden waren.
Kokes: Die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz ist ein Verbindungsorgan der kantonal organisierten Kesb-Stellen. Sie will die Zusammenarbeit der Kantone fördern und organisiert Fachtagungen.
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