Verletzter Büezer Christian Ettlin (33) kämpft gegen die Suva
«Man glaubt mir nicht, dass ich in meiner eigenen Firma arbeite»

Christian Ettlin (33) hat sich bei einem Sturz im März 2018 schwer verletzt. Für den Bauarbeiter ist der Unfall eine Katastrophe. Denn das dringend benötigte Krankentaggeld wird von der Suva nicht gezahlt. Warum, ist ein Rätsel.
Publiziert: 16.11.2018 um 10:05 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 14:07 Uhr
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Christian Ettlin braucht eine Rückenoperation – doch die Suva will den Eingriff nicht bezahlen.
Foto: Flavio Razzino
Flavio Razzino

Christian Ettlin (33) leidet. Der Inhaber einer eigenen GmbH in der Baubranche spürt seine Beine kaum noch, den Hals kann er nur mit Mühe bewegen. Diagnose der Ärzte: fortschreitende Spinalkanalstenose. Die furchtbaren Schmerzen resultieren aus einem Freizeit-Unfall im März 2018 – ein Treppensturz mit Folgen. Nicht nur für den Körper, sondern auch für Ettlins Portemonnaie. Denn sein KMU liegt ebenfalls flach. Will Ettlin weiter auf dem Bau arbeiten, muss er sich zwingend einer Operation unterziehen. Aber: Er wartet mittlerweile nun seit acht Monaten darauf, bis klar ist, wer den Eingriff zahlt.

Ruin droht – für ihn und seine Drei-Mann-Firma

Denn die Suva, die bei Unfällen im Normalfall einspringt, lässt den leidenden Bauarbeiter eiskalt im Regen stehen. Noch schlimmer: Die Behandlungskosten schiebt sie seiner Krankenkasse ab, und auch für den Lohnausfall während seiner Arbeitsunfähigkeit fühlt sich die Suva nicht zuständig. Obschon Ettlin seit Jahren Suva-Beiträge vom Lohn abzieht und damit Anspruch auf Unfall- und Krankentagegeld hätte. Schmerzhafte Folgen: Büezer Ettlin steht vorm Ruin, seine Drei-Mann-Firma vorm Konkurs.

Die Begründung der Suva klingt für den Bauarbeiter wie Hohn: Man glaubt nicht, dass Ettlin bei seiner eigenen Firma 2018 angestellt war. Folglich könne er auch keine Leistungen beanspruchen. Doch wie sie zu diesem Standpunkt gekommen ist – daraus macht die Versicherung ein Rätsel.

Suva mit allen Unterlagen versorgt

Die Suva hatte nämlich in einer Betriebsprüfung im Juli dieses Jahres selbst festgestellt, dass Ettlin sich im Jahr 2017 noch einen Lohn von rund 70'000 Franken ausbezahlt hatte. Und: Dort hat sie auch seine Anstellung anerkannt. Für sich und seine Mitarbeiter hat Ettlin für das Jahr 2017 darum tausende Franken an obligatorischer Versicherungsprämie einbezahlt.

Um zu beweisen, dass er sich auch im Jahr 2018 nicht selber entlassen hat, sondern weiterhin bei seiner Firma angestellt ist, tauchte Ettlin tief in die Akten. Er schickte der Suva Stundenrapporte, die er seinen Auftraggebern in Rechnung gestellt hat. Dazu seinen Arbeitsvertrag und seine Lohnabrechnungen. Sogar seine Bankauszüge stellte er der Suva zu. Sie belegen, dass er sich einen Lohn ausbezahlt hat.

Auch Treuhänder fassungslos

Einzig: Es reichte der Suva nicht. Sie forderte weiterhin «Nachweise» – ohne konkret zu werden. Ettlin ist verzweifelt: «Ich weiss gar nicht, was ich sonst noch vorlegen soll, damit sie mir glauben.» Auch sein Treuhänder hat so etwas noch nie erlebt: «Obwohl ich auch wegen anderer Kunden viel mit der Suva zu tun habe.» Befremdlich sei, dass die Suva gar keine Leistung zahlen will: «Man kann darüber streiten, welcher Lohn bei einem Unternehmer versichert sein soll, da dieser häufig schwankt. Aber die Behauptung, Ettlin habe keine Anstellung bei seiner eigenen Firma und habe folglich kein Geld verdient, steht im absoluten Widerspruch zu dem, was die Suva an Prämienzahlungen von ihm einfordert.»

Auf BLICK-Anfrage will sich die Suva nicht zum konkreten Fall äussern – obwohl sie von Ettlin vollständig von ihrer Schweigepflicht gegenüber BLICK entbunden wurde. Dafür übergibt sie das komplette Dossier von Ettlin: ein PDF mit 172 Seiten. Nur: Selbst darin findet sich nirgends eine Erklärung, warum der Bauarbeiter keinen Rappen Leistung erhält.

Ettlin hat unterdessen Einsprache gegen den Entscheid eingelegt. Auch sein Treuhänder ist sich sicher, dass der Entscheid der Suva vor Gericht keine Chance hat. Dennoch hat er grosse Sorgen und befürchtet: «Bis das Geld fliesst, wird er aber noch Jahre warten können.» Zeit, die sich weder Ettlin noch seine Mitarbeiter leisten können.

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