Verfahrensfehler in Bern
Bundesgericht hebt Freispruch wegen Kindesmissbrauch auf

Justizfehler in Bern: Der Freispruch eines mutmasslichen Kinderschänders wurde aufgehoben. Das Bundesgericht kritisiert das Obergericht scharf für unrechtmässiges Vorgehen im Berufungsverfahren.
Publiziert: 14.11.2024 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2024 um 12:27 Uhr
Das Bundesgericht hat das Urteil gegen einen Mann wegen Kindesmissbrauch aufgehoben. (Archivbild)
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Bundesgericht hebt umstrittenen Freispruch in Kindesmissbrauchsfall auf. Neues Verfahren nötig
  • Obergericht führte schriftliches Verfahren durch, Bundesgericht sieht schwerwiegenden Fehler
  • Angeklagter wurde in erster Instanz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt
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Das Bundesgericht hat einen Freispruch für einen des sexuellen Kindesmissbrauchs angeklagten Mann aufgehoben. Der Freispruch erfolgte nach dem Prinzip «im Zweifel für den Angeklagten». In der Berufung hatte die Berner Justiz in Abwesenheit der Parteien entschieden, obwohl die Bedingungen für ein schriftliches Verfahren nicht erfüllt waren.

Das Bezirksgericht Berner Jura-Seeland hatte den Mann 2020 zu einem Jahr Gefängnis bedingt verurteilt. Der Einzelrichter schätzte seine Unschuldsbeteuerungen als wenig glaubwürdig ein. Das Berner Obergericht hielt dem Mann zwei Jahre später Zweifel zugute und sprach ihn frei.

Schriftliches Verfahren nur ausnahmsweise zulässig

Dabei schlug es den Parteien vor, auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten, die aufgrund des Alters der Geschädigten unter Ausschluss der Öffentlichkeit hätte stattfinden müssen. Stattdessen verfuhr das Obergericht auf der Grundlage der erstinstanzlichen Akten. Dieses Vorgehen akzeptierten die Beteiligten.

In seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil hielt das Bundesgericht fest, dass schriftliche Verfahren nur ausnahmsweise zulässig sind. Das ist der Fall, wenn es ausschliesslich um Rechtsfragen geht.

Strafprozess untersteht nicht der freien Verfügungsgewalt der Parteien

Die in erster Instanz erhobenen Beweise müssten in der Berufung erneut beurteilt werden, insbesondere, wenn der Eindruck, den ihre Präsentation hinterlassen hat, entscheidend ist. Ganz besonders sei das der Fall, wenn sich Aussagen widersprechen, und die Instanz über deren Glaubwürdigkeit befinden muss.

So hätte das Obergericht das schriftliche Verfahren gar nicht vorschlagen dürfen. Wie das Bundesgericht schrieb, untersteht der Strafprozess nicht der freien Verfügungsgewalt der Parteien. Der Berufungsinstanz obliege es, die Führung des Prozesses sicherzustellen.

Da das Obergericht die Schlussfolgerungen der ersten Instanz bezüglich der Glaubwürdigkeit des Angeklagten und des Opfers grundlegend hinterfragte, hätte es eine neue Beweisaufnahme durchführen und die Parteien und Zeugen erneut vernehmen müssen. 

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