Überfüllte Aschenbecher in jedem Zimmer, schimmlige Matratzen und ein kaputtes WC. Die Fenster in der Küche waren so dreckig, dass man nicht mehr nach draussen sehen konnte – aber die Krawatten von Balts L. (†67) hingen fein sortiert in seinem Kleiderschrank.
Es sind zwei Gesichter, die die Zeugen beim Prozessauftakt vor dem Bezirksgericht Pfäffikon ZH vom ehemaligen NZZ-Redaktor zeichnen. Am 31. März 2015 tötete der heute 21-Jährige Stephan L.* seinen Vater nach einem Streit mit einem Kopfschuss (BLICK berichtete). Seit gestern sitzt der Velomech-Lehrling wegen Mordes auf der Anklagebank.
«Er nannte mich Unfall und Missgeburt»
Die Tat war skrupellos und heimtückisch, schreibt der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift. Er fordert 14 Jahre Knast. Es war die pure Verzweiflung, sagen Kollegen und Verteidiger. Anwalt Valentin Landmann plädiert auf vorsätzliche Tötung und maximal zehn Jahre Haft.
Als die Mutter zwei Tage nach seinem 13. Geburtstag an ihrer Alkoholsucht stirbt, zieht Balts L. zu seinem Sohn. Eine Vater-Sohn-Beziehung sei trotzdem nie entstanden. Stattdessen habe er ihn über Jahre gedemütigt, sagt der Angeklagte: «Er wollte nie Kinder und das hat er mich spüren lassen. Er hat mich immer wieder Unfall und Missgeburt genannt.»
Statt nach der Schule nach Hause zu gehen, sucht Stephan L. bei Kollegen Zuflucht. «Er hat sogar Weihnachten und Neujahr bei uns verbracht. Er ist wie ein Sohn für mich», sagt Zeugin Karin K. (51). Einmal habe sie versucht, Balts L. auf die psychischen Probleme von Stephan anzusprechen: «Er hat mich hochkant rausgeschmissen.»
«Es tut mir unendlich leid»
Arbeitskollegen beschreiben das Opfer hingegen als guten Freund und stolzen Vater. «Er hat nicht viel von sich preisgegeben, war aber immer offen für andere», sagt Nadja Schildknecht (43), Chefin des Zurich Film Festivals. «Er war extrem loyal», bestätigt auch Unternehmer Sascha Wigdorovits (64). Bei ihm Zuhause waren beide aber nie.
Stephan L. atmet schwer, als er über seine Kindheit, die Streitigkeiten der Eltern und den frühen Tod der Mutter spricht. «Ich hatte mein Leben lang Selbstmordgedanken», sagt er. Wenige Tage vor der Tat hatte er sogar einen Abschiedsbrief geschrieben. Doch statt sich das Leben zu nehmen, erschoss er seinen Vater. «Es tut mir unendlich leid. Das war der dunkelste Tag meines Lebens.»
Am Dienstag wird der Prozess mit den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger fortgesetzt. Das Urteil folgt Freitag.
*Namen der Redaktion bekannt
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