Vor Gericht zählen Fakten, keine Emotionen. Dass diese Trennung in manchen Fällen aber schwierig ist, haben gestern die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Mordprozess von Pfäffikon ZH gezeigt. Stephan L.* wird vorgeworfen, seinen Vater Balts L.* († 67) im März 2015 mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet zu haben (BLICK berichtete). Der 21-Jährige ist geständig. Für den Staatsanwalt ist klar: Es war Mord. Er fordert 14 Jahre Knast.
Verteidiger Valentin Landmann sieht das anders. Er plädierte von Anfang an für vorsätzliche Tötung und maximal zehn Jahre Haft. Gestern brachte er eine weitere Möglichkeit ins Spiel: Totschlag. Das Mindeststrafmass liegt bei einem Jahr.
Stephan L. selbst will keine milde Strafe. «Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen», sagt er in seinem Schlusswort. Es gebe keine Entschuldigung für das, was er getan habe: «Nichts auf der Welt kann das rechtfertigen.» Er wünschte, er hätte seinen Vater so kennengelernt, wie seine Freunde ihn kannten: freundlich, hilfsbereit und zuverlässig – das sei aber leider nicht passiert.
Brutal und skrupellos
Der Staatsanwalt findet deutliche Worte: «Er hat ihn von hinten meuchlings abgeknallt. Das ist ein Fakt.» Sein Appell an das Gericht: «Man muss zwischen Fakten und Emotionen trennen.» Die familiäre Vorgeschichte spielt dennoch eine zentrale Rolle: Die Lieblosigkeit, der frühe Tod der alkoholkranken Mutter und die Wutausbrüche des Vaters hätten Stephan L. zerfressen. Der Streit an jenem Märztag sei der Tropfen gewesen, «der das Fass zum Überlaufen brachte», sagt Landmann.
Der Streit habe sich im normalen Rahmen bewegt, sagt hingegen der Staatsanwalt. Die Tat aber sei brutal, hinterrücks und skrupellos gewesen. Das Opfer habe nicht einmal die Möglichkeit gehabt, um Gnade oder Verzeihung zu bitten. Das Urteil folgt voraussichtlich am Freitag.
* Namen der Redaktion bekannt