Ludwig Jörger (72) hebt sein Glas, die Karaffe Rotwein vor ihm ist halb leer: «Wir feiern den Turm!», prostet er in die Runde. Der 381 Meter hohe Hotelbau auf dem Valser Talboden – Jörger begrüsst ihn begeistert. Helikopterlärm und verhüllte Araberinnen schrecken ihn nicht ab: «Die sollen nur kommen. Der Rubel muss rollen.»
Damit ist Jörger am Stammtisch des Hotels Glenner morgens um 10.30 Uhr allerdings krass in der Minderheit. Von seinen acht Kollegen sind sieben gegen das Hotel. Einer ist noch unentschieden.
«Die Touristen, die sich ein solches Hotel leisten können, kommen sicher nicht in die Beiz», sagt Lorenz Vieli (72). «Das Dorf hat nichts davon.»
«Wir wollen diesen Wahnsinn nicht», doppelt der frühere Kantonsangestellte Fridolin Schmid (73) nach. «Das Dorf wird zur Sau gemacht.» Seiner Meinung nach wäre es besser, zwei Türme statt nur einen zu bauen. «Dafür nicht so hohe.»
Am Abend zuvor hatten der Investor Remo Stoffel (37) und der Steinbruchbesitzer Pius Truffer (59) der Bevölkerung ihr Projekt vorgestellt. Die Turnhalle platzte aus allen Nähten, fast die Hälfte der 1000 Einwohner von Vals wollte dabei sein.
Die Stimmung war mindestens so aufgeladen wie vor drei Jahren. Damals triumphierten Stoffel und Truffer an einer denkwürdigen Gemeindeversammlung. Mit knapper Mehrheit entschieden sich die Valser damals, die Therme und das dazugehörende Hotel Stoffel und Truffer zu verkaufen. Peter Zumthor, den Erbauer der Therme, liessen sie im Regen stehen.
Nun ist die Stimmung gekippt. Die Mehrheit des Dorfes ist gegen das Hotel.
Schon damals führte der Schriftsteller Peter Schmid (65), auch er ein Einheimischer, das Zumthor-Lager an. Noch immer kämpft er gegen Stoffel und Truffer.
In der Turnhalle hat er sich in die hinterste Reihe gestellt. «Haben Sie denn überhaupt genügend Geld, um ein solches Hotel zu bauen, Herr Stoffel?», brüllt er nach vorn. Ob er das Geld habe, will auch Truffer von seinem Verbündeten wissen. Stoffel zückt sein Mobiltelefon, drückt auf den Tasten herum und lässt Truffer einen Blick darauf werfen. «Momoll, der Remo hat viel Geld», sagt Truffer. Damit ist die Sache erledigt, einen Betrag nennt er nicht.
Man müsse nun in Ruhe alle Fragen diskutieren, sagt Gemeindepräsident Stefan Schmid (44) am Morgen danach. Den Schutz der Petersquelle, den Schattenwurf, den Lärm. Zeit dafür sei genug. Abgestimmt wird frühestens im Spätherbst.
Bei den Thermen habe sich das Dorf am Anfang auch gefragt: «Passt das zu uns?» Zum Glück hätten die Valser damals Ja gesagt. Obwohl, ganz sei die Distanz zum Dorf nie geschlossen worden: «Das da unten», sagt Schmid und zeigt talauswärts Richtung Therme, «war immer eine eigene Geschichte.»