US-Leihmutter Stephenie machte zwei Solothurner zu Vätern
180'000 Franken für zwei Babys

Sie hat Dylan geboren – aber Stephenie ist nicht seine Mutter. Wie zwei Solothurner dank Leihmutterschaft zu Vätern wurden.
Publiziert: 04.11.2018 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2018 um 03:52 Uhr
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Stefan Berchtold (l.), Leihmutter Stephenie und Joel Imboden mit ihren Söhnen Davis und Dylan.
Foto: ZVG
Aline Wüst

Davis ist ein herziger Bub. Gerade isst er Nudeln und macht das schon recht gut. Für seine Väter Stefan Berchtold (36) und Joel Imboden (27) sind solche Momente unbezahlbar. Doch es lässt sich beziffern, was Davis gekostet hat – 106'000 Franken.

Berchtold und Imboden können auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen. Logisch. Nachdem ein Haus gebaut und die Partnerschaft eingetragen war, fragten sie sich: Was als Nächstes? Es beschäftige sie der Gedanke, dass sie als Kinderlose diese Welt verlassen würden, ohne Spuren zu hinterlassen. Sie entschieden sich für eine Leihmutterschaft.

An jenem Donnerstagabend, an dem der kleine Davis zufrieden Nudeln isst, sitzen die beiden auf gepackten Koffern. In einer Woche soll ihr zweites Baby auf die Welt kommen. Da ploppt eine Whatsapp-Nachricht auf dem Smartphone auf.

«Wir sind immer noch schwanger!»

Es ist Stephenie, die Leihmutter in den USA. Der letzte Untersuch sei vorbei, schreibt sie und schickt ein Foto. Stefan Berchtold sagt zu seinem Partner: «Wir sind immer noch schwanger!»

Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten. Nach Schätzungen von Fachleuten leben hier dennoch 500 bis 1000 Kinder, die im Ausland auf diese Weise entstanden sind. Karin Hochl, als Anwältin auf Leihmutterschafts-Anerkennungen spezialisiert: «Diese Zahl dürfte rasch ansteigen.»

Swissgaydad, ein Verein homosexueller Väter, weiss von sechs Babys, die derzeit in gemieteten Bäuchen ausgetragen werden. «Es gibt bei schwulen Paaren einen kontinuierlichen Aufwärtstrend beim Kinderwunsch», sagt Swissgaydad-Präsident Micha Bollag. Entgegen der landläufigen Meinung sind es allerdings mehrheitlich heterosexuelle Paare, die eine Leihmutter nutzen.

Es gibt einen regelrechten Fortpflanzungstourismus aus Ländern, die Leihmutterschaft verbieten, in Länder, die sie erlauben. Schweizer, so zeigt eine unveröffentlichte Statistik des Kantons Zürich, reisen dafür am liebsten in die Ukraine oder die USA.

27 so geborene Babys wurden in den vergangenen drei Jahren im Kanton registriert, verteilt auf 19 Paare, acht davon gleichgeschlechtlich.

In der Ukraine ists günstiger

Wer es sich leisten kann, geht in die USA. Wer es günstiger will, fragt per E-Mail bei einer der vielen ukrainischen Agenturen an. Fast postwendend schreibt dann etwa eine Irina zurück, sie sei gern behilflich, den Kinderwunsch zu erfüllen.

Man habe das schon bei anderen Schweizer Paaren getan. Im Standardprogramm koste das 39'900 Euro, die VIP-Ausführung gebe es für 49'900. Der Termin für eine Erstkonsultation in Kiew könne jederzeit vereinbart werden.

Für Stefan Berchtold und Joel Imboden kamen nur die USA infrage. Die Eizellspenderin, also die genetische Mutter ihrer Kinder, suchten sie von ihrer Stube im solothurnischen Hauenstein aus. Die Op­tionen sind fast beliebig wählbar: von der Haarfarbe über den Zeitpunkt der Geschlechtsreife bis zur Todesursache des Grossvaters.

Auch Kinderfotos sind zu haben. Die Wahl der biologischen Mutter sei ein Bauchentscheid gewesen, sagt Stefan Berchtold. Das Paar fand dann über Umwege Stephenie, die Leihmutter. Die drei skypen, sind sich sympathisch. Die Spenderin der Eizelle bleibt derweil anonym.

Geplant sind Zwillinge, ein Mädchen und ein Bub. Von einem soll Joel der biologische Vater sein vom anderen Stefan.

Sie bringen das Sperma in die USA

Mit Stephenie wird ein umfangreicher Vertrag abgeschlossen, der auch regelt, welche Sportarten und Nahrungsmittel zu meiden sind und in welchen Fällen eine Abtreibung gestattet ist. Nach der Zahlungsvereinbarung reisen Berchtold und Imboden in die USA – für die Abgabe des Spermas.

Der Spenderin werden derweil unter Vollnarkose Eizellen entnommen, die man dann im Labor befruchtet, auf Krankheiten testet und nach Geschlecht auswählt. Stephenie bekommt einen männlichen und einen weiblichen Embryo eingepflanzt.

Sie wird jedoch nur mit ­einem schwanger: mit Davis, dem Buben. Berchtold ist sein biologischer Vater.

Vor etwas mehr als neun Monaten wiederholten Berchtold und Imboden das ganze Prozedere. Mit der gleichen Leihmutter und auch den Embryonen, die vom letzten Mal übrig waren.

Am 27. September war es so weit. Im Gebärsaal versteckte sich Berchtold vor lauter Aufregung hinter seinem Partner. Als Dylan endlich da war, flossen Tränen. Kurz da­rauf geht ein Foto vom zerknautschten Baby an Verwandte und Freunde in der Schweiz: «Hallo zusammen. Mir geht es gut. Hier bin ich.»

Die Leihmutter hat mit der Geburt ihre Aufgabe erledigt. Als die kleine Familie wieder zurück in der Schweiz ist, telefoniert SonntagsBlick mit der Amerikanerin (38).

Stephenie, vermissen Sie Dylan?
Sicher! Wenn ich an ihn denke, muss ich heulen. Aber ich werde Stefan, Joel und die Kinder bald wiedersehen. Wir haben ein sehr enges Verhältnis.

Haben Sie schon viele bezahlte Schwangerschaften erlebt?
Es war meine sechste.

Was ist Ihr Grund?
Ich habe zwei Kinder und bin gern schwanger, möchte aber keine mehr aufziehen. Also warum nicht Leihmutter werden? Nach der Geburt die Freude der Wunscheltern zu sehen, ist unglaublich schön.

Wie fühlt es sich an, ein Kind nach der Geburt wegzugeben?
Ich gebe das Kind nicht weg – ich gebe es zurück! Dylan und Davis haben mir nie gehört. Ich schaute nur auf sie. Zu wissen, dass ich genetisch nichts mit ihnen zu tun habe, macht es einfacher.

Gab es schon schlechte Erfahrungen?
Nicht bei mir, aber bei zwei Freundinnen.

Erzählen Sie.
Eine wurde mit einem gesunden Mädchen schwanger. Plötzlich wollen die Eltern, dass sie abtreibt. Einen Grund nannten sie nicht. Sie versprachen ihr die volle Entschädigung plus 10 000 Dollar extra. Sie weigerte sich. Das Kind wurde zur Adoption freigegeben.

Und die andere?
Sie war Leihmutter für ­einen 74-Jährigen und dessen 43-jährige Frau. Als das Kind da war, nahm sich der Vater das Leben, kurz darauf die Mutter. Die Leihmutter zieht das Kind nun auf.

Für Dylan bekamen Sie 32'000 Dollar. Welche Rolle spielt das Geld?
Bei einer Schwangerschaft kann es Komplikationen geben. Ich will nicht sterben, damit jemand anderes ein Kind haben kann. Aber dieses Risiko besteht. Die finanzielle Entschädigung ist daher absolut gerechtfertigt. Und das Geld hilft meiner Familie, klar.

Mit der steigenden Zahl von Leihmutterschafts­fällen gerät die Schweiz immer mehr in ein Dilemma. Bernhard Rütsche, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern und Mitglied der Nationalen Ethikkommission, würde es deshalb begrüssen, wenn darüber Zahlen erhoben würden: «Nur so zeigt sich, wie verbreitet Leihmutterschaft ist und ob es auf der Verfassungs- und Gesetzes­ebene allenfalls Anpassungen braucht.»

Andrea Büchler, Professorin für Familien- und Medizinrecht an der Universität Zürich, würde eine Diskussion über Leihmutterschaft und die Gründe für das Verbot befürworten. Der Umgang mit internationaler Leihmutterschaft sei zu überdenken: «Kinder, die im Ausland von einer Leihmutter geboren werden, müssen unbedingt geschützt und das Kindesverhältnis zu den Wunscheltern muss auch in der Schweiz anerkannt werden.»

Für die Papas aus Hauenstein SO ist die Anerkennung kein Problem; sie haben alle notwendigen Papiere. Seit zwei Wochen sind die beiden nun wieder zu Hause. «Wir sind glücklich!», sagt Stefan Berchtold, der nun wieder arbeitet, während sich Joel Imboden um die Kinder kümmert.

Nun, wo Dylan auf der Welt ist, unterscheiden sie sich kaum von anderen Eltern. Wer fragt, wie sie die Zeit seit der Geburt erlebt haben, dem antworten sie: «Schlaflos! Denn Dylan will zwar nicht die Brust. Aber alle zwei Stunden sein Fläschchen!»

Wann wird nachgefragt?

In den 1980er-Jahren geriet das Thema Leihmutterschaft in die Schlagzeilen: Eine Leihmutter brach den Vertrag und wollte das Baby nicht ihren Auftraggebern, einem Ehepaar aus New York, aushändigen. Das Gericht gab schliesslich den Auftraggebern recht. Aus diesem Grund aber – und weil die Reproduk­tionsmedizin in dieser Zeit Fortschritte machte – ist es in den USA seither üblich, dass Eizellspenderin und Leihmutter nicht mehr die gleiche Person sind. Auch als Folge dieser Debatte in den USA wurde in der Schweiz die Leihmutterschaft verboten. Die Zivilstandsbeamten fragen nach, wenn bei der Registrierung eines Neugeborenen Verdacht auf Leihmutterschaft besteht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Frau mit Wohnsitz in der Schweiz kurz vor der Geburt des Kindes ins Ausland reiste, wenn die Mutter älter ist – und bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Geklärt wird dann, ob eine notariell beglaubigte Verzichtserklärung der gebärenden Mutter vorliegt, ob ein Elternteil genetisch verwandt ist mit dem Baby und ob das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung geklärt ist. Also, ob das Kind die Frage: «Woher komme ich überhaupt?» einmal klären kann.

In den 1980er-Jahren geriet das Thema Leihmutterschaft in die Schlagzeilen: Eine Leihmutter brach den Vertrag und wollte das Baby nicht ihren Auftraggebern, einem Ehepaar aus New York, aushändigen. Das Gericht gab schliesslich den Auftraggebern recht. Aus diesem Grund aber – und weil die Reproduk­tionsmedizin in dieser Zeit Fortschritte machte – ist es in den USA seither üblich, dass Eizellspenderin und Leihmutter nicht mehr die gleiche Person sind. Auch als Folge dieser Debatte in den USA wurde in der Schweiz die Leihmutterschaft verboten. Die Zivilstandsbeamten fragen nach, wenn bei der Registrierung eines Neugeborenen Verdacht auf Leihmutterschaft besteht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Frau mit Wohnsitz in der Schweiz kurz vor der Geburt des Kindes ins Ausland reiste, wenn die Mutter älter ist – und bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Geklärt wird dann, ob eine notariell beglaubigte Verzichtserklärung der gebärenden Mutter vorliegt, ob ein Elternteil genetisch verwandt ist mit dem Baby und ob das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung geklärt ist. Also, ob das Kind die Frage: «Woher komme ich überhaupt?» einmal klären kann.

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