Schnellen Schrittes führen Sabine Arnold-Gisler (42) und Claudia Gisler (41) Blick durch die Montagehallen der Gipo AG in Seedorf UR. Zum Schlendern haben die beiden Inhaberinnen der Baumaschinenfirma keine Zeit. Unterwegs erkundigen sie sich bei den Mitarbeitern, wie es ihnen geht. Stellen Fragen zu aktuellen Projekten. Ganz gleich, ob Abteilungsleiter oder Schweisser, die Chefinnen sind mit allen per Du, in den riesigen Fabrikhallen geht es familiär zu.
Hier im Bergkanton entstehen die grössten mobilen Steinbrechanlagen der Welt. Manche der Ungetüme sind mehrere 100 Tonnen schwer, 50 Meter lang und über 20 Meter breit (Durchschnittspreis der Giga-Maschinen: 800'000 Franken). Die Seedorfer Spezialität: Trotz der Grösse können sie sich auf Raupen auf der Baustelle selbständig bewegen.
Stahl zischt, Funken sprühen
Gerade wird in der Zuschneiderei ein über zwölf Meter langes Stahlblech von der Brennanlage in Form gebracht. Es ist Teil der Maschinenchassis eines Backenbrechers. Flüssiger Stahl zischt durch die Luft. Funken sprühen. Die Geschwister Gisler erschrecken nicht. Für sie ist es Alltag, von Kindesbeinen an.
«Baumaschinen zu bauen, ist klar eine Männerdomäne, aber uns gefällt das Business», sagen die Inhaberinnen. Sie führen das Unternehmen seit dem Tod ihres Vaters im Jahr 2017. Als Unternehmerinnen haben sie sich bisher noch nie diskriminiert gefühlt, nur weil sie Frauen sind. Sabine Arnold-Gisler sagt: «Ich erlebe eher das Gegenteil. Bei vielen Treffen habe ich den Eindruck, dass die Männer froh sind, dass auch Frauen dabei sind.» Claudia Gisler pflichtet bei: «Gerade weil es ein bodenständiges Business ist, geht man kameradschaftlich miteinander um – gleich ob Mann oder Frau.»
Wenige Frauen, aber der Anteil steigt
In der Firma sind Frauen klar in der Unterzahl. Von den 230 Mitarbeitenden in Seedorf arbeiten vier in der Produktion und ein halbes Dutzend im Büro. Aber, so Claudia Gisler: «Der Frauenanteil steigt. Noch vor kurzer Zeit waren in der Produktion ausschliesslich Männer!»
Das Geschäft für die Ferrari unter den Steinbrechern brummt. Trotz Pandemie sind die Auftragsbücher voll. «Im Moment haben wir eine Lieferfrist von 30 Wochen», sagt Claudia Gisler. «Der langjährige Schnitt liegt bei 25 Wochen.» Bis vor Corona hätten die Käufer sogar bis zu 50 Wochen warten müssen. «Da kamen wir an unsere Grenzen. Wir wollen die Kunden nicht so lange warten lassen.» Denn: «Da könnte dann schon mal einer abspringen», sagt Claudia Gisler.
Ausbau wegen steigender Nachfrage
Um der Nachfrage nachzukommen, haben die Gisler-Schwestern mit dem grössten Ausbau der Firmengeschichte begonnen. Zwei neue Hallen stehen schon. «Damit sind wir mit den Kapazitäten auch für die nächste Generation bereit. Wir planen langfristig.»
Im März hat die Firma ihre 1001. Aufbereitungsanlage seit der Gründung 1973 ausgeliefert. Käufer der Jubiläums-Anlage war der gleiche Schweizer Baukonzern, der einst auch den allerersten Steinbrecher der Gipo gekauft hatte. Die Nummer eins steht heute als Firmendenkmal bei der Einfahrt zum Fabrikareal.
In Dubai und Sibirien im Einsatz
«Gut 90 Prozent der Maschinen sind noch in Betrieb, zum Teil mit über 100'000 Betriebsstunden», sagt Co-Inhaberin Sabine Arnold-Gisler stolz. Ihre «Gipos» sind rund um den Erdball im Einsatz – so auch in Dubai bei heissen 50 Grad oder in Sibirien bei eiskalten minus 50 Grad. Ebenso in einem Granitsteinbruch an der Elfenbeinküste oder in einer Goldmine in Brasilien.
Den gefrässigen Steinbrechern aus Uri sind auch schon der Hauptsitz von Facebook und das Wankdorf-Stadion zum Opfer gefallen. Die Maschinen zermalmen Stahlbeton zu Kies und trennen automatisch die Materialien für das Recycling. Die Aufbereitung von Abbruch gehört denn auch zu den grössten Wachstumsträgern des Unternehmens.
Jede Maschine ein Unikat
Jede Maschine aus Seedorf ist ein Unikat, gebaut nach den Wünschen der Kunden. «Flexibilität, verbunden mit Schweizer Qualität, ist unsere Stärke. Wir können fast jeden Wunsch erfüllen», sagt Sabine Arnold-Gisler. Darum können sie sich auch gegen die Chinesen durchsetzen. Die Urnerin weiss um den Standortvorteil: «Wenn sie von uns eine Innovation kopiert haben, sind wir bereits wieder um zwei Stufen besser. Zudem legen wir grossen Wert auf perfekten Support.»