Für die Konsumentenschützer ist beim Vorschlag der Nationalratskommission klar, dass die TV-Zuschauer die Gelackmeierten sein werden. Im Endeffekt werde das zeitversetzte Fernsehen verboten, sagt Cécile Thomi, Rechtsexpertin bei der Stiftung für Konsumentenschutz.
Die Fernsehsender nämlich hätten alles Interesse daran, die Zuschauerinnen und Zuschauer auf ihre eigenen Internetseiten zu locken. Dort sei Replay-TV unbeschränkt nutzbar - allerdings mit saftigen Kostenfolgen. So sei es nicht einsichtig, weshalb die Sender den Kabelnetzbetreibern das Überspulen der Werbung erlauben sollten.
Im weiteren gibt Thomi zu bedenken, dass die Sender von den Verbreitern Lizenzgebühren für die Replay-Erlaubnis erheben dürften. So könnten nur noch die grossen Netzbetreiber wie etwa Swisscom oder UPC die Funktion anbieten und würden die Mehrkosten auf die Konsumenten abwälzen.
Die Politiker liessen sich hier blauäugig zu einer Regelung hinreissen, die weit weg von den Bedürfnissen der Bevölkerung liege. Die Spulfunktion sei nämlich äusserst beliebt. Spätestens bei der Beratung der Vorlage im Parlament werde ein Aufschrei durchs Land gehen, prophezeit Thomi.
Der gleiche Aufschrei sei schon beim entsprechenden Vorschlag in der Revision des Fernmeldegesetzes durchs Land gegangen. Daraufhin habe die Fernmeldekommission die Regelung ins Urheberrechtsgesetz verschoben und die Rechtskommission des Nationalrats damit betraut.
Auch seitens der Verbreiter ist die Unzufriedenheit mit der Rechtskommission gross. Suissedigital, der Dachverband der Schweizer Netzbetreiber, rechnet ebenso wie der Konsumentenschutz mit Mehrkosten für die Endabnehmer. Die grossen TV-Sender dürften sich das Recht aufs Überspringen der Werbung «fürstlich bezahlen lassen», schreibt der Verband.
Das bewährte Recht auf Privatkopien von frei empfangbaren TV-Sendern werde unterhöhlt, bemängelt Suissedigital weiter. Früher seien die Kopien auf Rekordern gespeichert worden, heute auf der Replay-TV-Plattform.
Replay-TV in der heutigen Form werde es nicht mehr geben, denn die Werbung werde nur bei einzelnen Sendern übersprungen werden können. Damit würden die Erträge der Verwertungsgesellschaften für die Künstlerrechte sinken und mit ihnen das Entgelt für die Kulturschaffenden. Swisscom, UPC, Sunrise & Co. zahlten über 120 Millionen Franken an die Verwertungsgesellschaften.
Der Kabelnetzbetreiber UPC hält fest, die Konsumenten wollten Unterhaltung, wann und wie es ihnen beliebt. Replay-TV sei darum nicht mehr wegzudenken.
Der Vorschlag der Kommission stehe im Widerspruch zum bisherigen gemeinsamen Tarif. Müsse für die Replay-Funktion neben dem bereits bestehenden Entgelt noch extra bezahlt werden, sei dies eine doppelte Bezahlung an die TV-Sender.
Zudem widerspricht UPC genau wie Swisscom den Klagen der Sender, dass die Werbeeinnahmen seit der Einführung von Replay-TV 2012 gesunken seien. Der TV-Werbeumsatz sei gemäss Zahlen der Stiftung Werbestatistik Schweiz im Gegenteil von 726 Millionen auf 774 Millionen Franken im Jahr 2017 gestiegen.
Für Swisscom-Chef Urs Schaeppi ist grundsätzlich klar: Der Kommissionsvorschlag «ist konsumenten-unfreundlich». Er stehe quer zu den Marktbedürfnissen. Und letztlich schwäche er die herkömmlichen Sender gegenüber neuen Anbietern wie Netflix.
Sunrise lehnt die Kommissionspläne ebenfalls ab. Die bestehenden Konditionen seien angemessen. Die bewährte Kollektivverwertung müsse erhalten bleiben und das populäre zeitversetzte Fernsehen unverändert möglich sein.
Netzbetreiberin Salt verweist ebenfalls auf den bestehenden gemeinsamen Tarif, zu dem der Kommissionsvorschlag ihres Erachtens im Gegensatz steht. Zudem verkompliziere die Kommission die TV-Verbreitung.
Die Interessengemeinschaft Radio und Fernsehen (IRF), zu der die SRG, Privatsender sowie in- und ausländische Anbieter gehören, hält nichts von der Kritik. Die Sender wollten Replay nicht verbieten und erhielten im Kommissionsvorschlag auch gar nicht das Recht dazu.
Die grossen Verbreiter wie etwa UPC hätten 2017 aber 246 Millionen Franken für Replay kassiert und den Sendern gerade einmal 9,7 Millionen davon zugeleitet. Diese einseitige Bereicherung sei unfair. Es gehe den Netzbetreibern nur ums eigene lukrative Geschäft.
Tatsache sei, dass einzelne Sender durch das Überspringen Werbeeinnahmen verlören - 2017 allein 110 Millionen Franken. Sollten die Netzbetreiber wie bisher abkassieren, sei die Existenz der werbefinanzierten, frei erhältlichen TV-Programme und damit die Medienvielfalt gefährdet, bilanziert die IRF.
Die Rechtskommission des Nationalrats will in ihrem Vorschlag zur Revision des Urheberrechtsgesetzes Regeln für Replay-TV aufstellen. Sie will im Gesetz verankern, dass die Sender direkt mit den Kabelunternehmen über die Möglichkeit zum Überspringen von Werbung verhandeln können.