Der ehemalige Innenminister von Gambia, Ousman Sonko, sucht in der Schweiz Asyl. Bis vor kurzem hielt er sich in einem Flüchtlingszentrum im Berner Seeland auf. Als die Medien auf den prominenten Flüchtling aufmerksam wurden, liess ihn die Berner Justiz von der Polizei anhalten. Das teilt die Berner Generalstaatsanwaltschaft mit.
Die Berner Justiz hat formell eine Untersuchung wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit eröffnet. Wohin Sonko gebracht wurde, ist unklar. Der bernische Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser erklärt, Sonko sei verlegt worden, will den neuen Aufenthaltsort gegenüber «bernerzeitung.ch» aber nicht bekannt geben.
In Ungnade gefallen
Sonko fiel im vergangenen Herbst beim damaligen Präsidenten Yahya Jammeh aus unbekannten Gründen in Ungnade und floh. Zuvor war er jedoch während zwei Jahrzehnten ein wichtiges Mitglied des autokratischen Regimes. Als Innenminister und Kommandant einer Elitetruppe des Präsidenten soll er für Menschenrechtsverletzungen direkt verantwortlich gewesen sein.
Die präsidiale Elitetruppe war berüchtigt für ihre Grausamkeiten. Die Schergen seien unantastbar gewesen, sagt ein ehemaliger gambischer Sicherheitsmann der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. «Sie können töten, vergewaltigen, was immer sie wollen.»
«Er war Jammehs wichtigster Befehlshaber»
«Ousman Sonko war einer der grössten Befürworter von Jammehs Exzessen gegen die Bevölkerung. Für ihn war alles, was Jammeh wollte, Gesetz», sagt Oppositionspolitiker Alhasana Jobarteh von der United Democratic Party in der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens.
Der gambische Menschenrechtsanwalt Yankuba Darboe, der in London lebt, bestätigt: «Sonko war Jammehs wichtigster Befehlshaber. Bei jedem Verbrechen war er entweder selbst der Anführer, oder er hat jene angewiesen, die es ausführen mussten. Er wusste über alles Bescheid. Er war Jammehs engster Vertrauter.» Soldaten, die bei diesen Gräueltaten dabei gewesen und später geflohen seien, hätten Sonko als Anführer genannt.
Auch Journalist Musa Saidykhan, der heute in den USA lebt, wurde von Jammehs Schergen gefoltert: «Sie haben mich nackt ausgezogen und meine Genitalien mit Elektroschocks traktiert. Sie sagten, mein Problem seien meine Hand und mein Mund. Sie brachen meine Hand und schlugen mich mit einem Eisen, bis ich meine Knochen splittern hörte. Und sie schlitzten meinen Mund mit einem Bajonett auf.»
Umfangreiche Strafanzeige
Der Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland in Biel BE liegt eine Strafanzeige gegen Sonko vor. Diese wurde von der Organisation Trial eingereicht und ist laut der bernischen Generalstaatsanwaltschaft sehr umfangreich.
Trial-Chef Philip Grant will mit der Strafanzeige nach eigener Aussage verhindern, dass Sonko untertaucht. Trial ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich gegen die Straffreiheit von schweren Verbrechen einsetzt und den Opfern hilft. Sie hat ihren Sitz in Genf.
Kommission soll Verbrechen ans Licht bringen
Die neue gambische Regierung unter Adama Barrow will die Verbrechen des abgewählten Vorgängers Jammeh aufklären. Dazu soll eine Kommission ins Leben gerufen werden. Sonko könnte dieser dabei behilflich sein, Jammehs Menschenrechtsverletzungen ans Licht zu bringen. «Für eine solche Kommission ist Sonko entscheidend», sagt der gambische Menschenrechtsanwalt Darboe. (noo/SDA)