Mehr verkaufte Tickets als Plätze im Flieger: Dass Airlines ihre Flüge überbuchen, ist eine gängige Praxis – und eine legale. Nicht nur bei United Airlines gilt die Devise: Lieber einige Passagiere abweisen, als mit leeren Plätzen fliegen. Denn 10 bis 15 Prozent der Kunden buchen einen Flug, treten ihn aber nicht an.
Dass Fluggesellschaften deshalb überbuchen, sei verständlich, sagt Reto Ineichen. Der Luzerner Anwalt ist spezialisiert auf Reiserecht und Dozent für Tourismusrecht. «Wirtschaftlich und ökologisch ist Überbuchen sinnvoll», sagt er. Entscheidend sei, wie man als Airline damit umgehe, wenn die Kalkulation nicht aufgeht.
Bis 600 Euro Entschädigung
Das EU-Passagierrecht hält fest, dass zuerst Passagiere gesucht werden müssen, die freiwillig – und für eine Entschädigung – auf den Flug verzichten und später reisen. Auch Schweizer Airlines müssen sich seit 2006 an die Verordnung halten. Wie oft bei der Swiss Passagiere wegen Überbuchung später fliegen, will die Fluggesellschaft nicht sagen.
Transparent macht sie indes, wie die Passagiere ausgewählt werden, sollte sich niemand freiwillig melden. Sicher fliegen kann nur, wer eine Sitzplatzreservierung hat oder Vielflieger ist. Auch Kinder, die allein unterwegs sind oder Passagiere mit Behinderung werden laut Swiss bevorzugt. «Von diesen Passagieren abgesehen erfolgt die Auswahl nach Zeitpunkt des Check-ins», sagt Swiss-Sprecherin Sonja Ptassek. Wer unfreiwillig umgebucht wird, erhält eine Entschädigung, die je nach Flugdistanz 200 bis 600 Euro beträgt. Das regelt ebenfalls die EU-Verordnung.
Doch was geschieht, wenn ein von der Fluggesellschaft ausgewählter Passagier wie im Fall der United Airlines partout nicht auf den Flug verzichten will? Ein ähnlicher Fall wie jener in den USA sei der Swiss nicht bekannt, sagt Sprecherin Ptassek. «Sollte ein Passagier nicht vom Flug zurücktreten wollen, wird die Situation am Gate und vor dem Einsteigen gewaltfrei gelöst», beteuert sie.
«Vielen Fluggesellschaften ist das Fluggastrecht egal»
Auch Franco Muff, Ombudsmann der Schweizer Reisebranche, ist bislang hierzulande kein vergleichbarer Fall begegnet. Muff zeigt dennoch etwas Verständnis für die Airlines: «Auch für sie bedeutet Überbuchung grosser Stress. Sie müssen pünktlich abfliegen, da muss man aus Zeitdruck halt auch auch auf Geratewohl auswählen.»
Kritischer äussert sich Anwalt Reto Ineichen, der regelmässig verärgerte Kunden berät. Vielen Fluggesellschaften, gerade Billig-Airlines, sei das Fluggastrecht egal, sagt er. Sie setzten darauf, dass die allermeisten Passagiere das Unrecht akzeptieren, statt zu klagen.
Denn ein Gerichtsverfahren ist für den Kläger nicht gratis – zumindest in der Schweiz. «Schon nur ein Friedensrichter kostet 200 Franken, ein Anwalt noch mehr. Wegen 200 Euro Entschädigung zu klagen, lohnt sich deshalb meist nicht», sagt Ineichen. «Damit spielen die Fluggesellschaften.»