Das für den zweiten schweizerischen Nationalpark vorgesehene Gebiet erstreckt sich von Disentis im Bündner Oberland bis nach Buseno im südlichen Misox und umfasst im Westen auch drei Tessiner Gemeinden.
Das Parkgebiet besteht aus einer 145 Quadratkilometer grossen Kernzone, wo strenge Naturschutzbestimmungen gelten sollen und einer 1085 Quadratkilometer grossen Umgebungszone, die ökologisch und ökonomisch nachhaltig entwickelt werden soll. So weit die Vorgaben des Bundes.
In den Augen der Pro Natura werden diese Vorgaben jedoch nur knapp erfüllt, wie Vertreter der Organisation am Donnerstag vor den Medien in Chur erklärten. Das Park-Regelwerk, die sogenannte Charta, sei «halbherzig, wenn nicht gar ängstlich», bemängelte Jacqueline von Arx, Geschäftsführerin von Pro Natura Graubünden.
Die Charta sei darauf ausgerichtet, Konflikte mit verschiedensten Interessengruppen zu vermeiden. Das Reglement für die Kernzone sei durchsetzt mit Ausnahmen für verschiedene Nutzer, etwa Schafhalter und Berggänger. Es sei fraglich, ob so eine freie Naturentwicklung möglich sei.
Obwohl die Kernzone die national bekannte Greina-Hochebene enthält, kommt sie bei der Pro Natura nicht allzu gut weg. Der Perimeter sei eher klein, liege fast ausschliesslich hochalpin und enthalte daher zu wenig Waldfläche.
Auch bei der Umgebungszone spart die Pro Natura nicht mit Kritik. Weil Widerstand befürchtet werde, stehe in der Charta fälschlicherweise mehrmals, dass die Schaffung der Umgebungszone keinerlei rechtliche Auswirkungen habe und es dort keine neuen Gebote geben werde.
Das stimme aber nicht. «Wozu braucht man eine Umgebungszone, wenn diese gar keine Wirkung erzeugen soll?», gab von Arx zu bedenken. Auch in der Umgebungszone gelte die Parkverordnung des Bundes mit klar formulierten Zielen. Es gelte, die Entwicklung der Umgebungszone auf die Kernzone auszurichten.
Trotz Kritik: Pro Natura unterstützt das Projekt und will den Parkbetrieb gar mit einer Million Franken fördern. Schliesslich geht das Vorhaben auf die im Jahr 2000 lancierte Pro Natura-Kampagne zur Gründung eines zweiten Nationalparks zurück.
«Gründen wir den Nationalpark, arbeiten wir an den Stärken und merzen die Schwächen aus», sagte Urs Tester, Mitglied der Pro Natura-Geschäftsleitung. Erfahrungen in Nachbarländern zeigten, dass die meisten Nationalparkprojekte zögerlich anfangen und sich mit der Zeit doch noch zu «echten Nationalpärken» entwickeln würden.
Der Parc Adula ist nach langjährigen Vorarbeiten auf der Zielgeraden: Die Charta befindet sich bis Ende Januar in der öffentlichen Vernehmlassung in den 17 Standortgemeinden und bei betroffen Interessengruppen.
Erst am Mittwoch hatten sich der Schweizer Alpen-Club und der Schweizer Bergführerverband geäussert. Die Verbände sind «grundsätzlich» für den zweiten Nationalpark, wehren sich aber gegen die geplante Einschränkung des Bergsports in der Kernzone.