Türkin rechtfertigt Amok-Fahrt an Berner Kurden-Demo
«Wir sind um unser Leben gefahren»

An einer Demonstration in Bern raste am Samstag ein Türke (49) in eine Menschenmenge. Er habe die Menschen umgefahren, weil er in Todesangst flüchten wollte, sagt seine Cousine, die ebenfalls im Auto sass.
Publiziert: 13.09.2015 um 16:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:15 Uhr
Von Beat Michel

Das Video schockiert: Ein schwarzer Mercedes Kombi rast am Samstagabend in eine Gruppe von Menschen, die bei einem zweiten schwarzen Auto stehen, Schreie sind zu hören, mehrere Menschen werden umgefahren, einer wird von der Wucht des Aufpralls meterweit weggeschleudert.

Auf einem zweiten Video sieht man aber, wie die beiden Autos zuvor von den Umstehenden mit Stangen heftig attackiert werden, eine vor dem Auto am Boden liegende Person wird ausserdem von mehreren Männern brutal verprügelt.

Die Amokfahrt geschah am Rande einer Demonstration, zu der eine der türkischen Regierung nahestehende Partei aufgerufen hatte. Sie wollten gegen «Terrorismus» und gegen die Kurden-Bewegung demonstrieren. Doch die Gegenseite hatte ebenfalls ihre Leute mobilisiert.

Jetzt spricht die Cousine des Mercedes-Fahrers – und erklärt die verhängnisvolle Situation: «Wir sind um unser Leben gefahren. Wir hatten Todesangst», sagt die junge Türkin A. «Wir wollen, dass die Schweizer wissen, warum das alles passiert ist.»

Aufkleber der «Grauen Wölfe» provozierte die Kurden

Die Achtergruppe in zwei Autos sei unfreiwillig in die Kurdengruppe geraten. Die Polizei habe sie in die Schwellenmattstrasse geschickt. «Sie sagten, dass der Parkplatz auf dem Helvetiaplatz voll sei.»

Hier aber bereiteten sich gerade mehrere grosse Gruppen von Kurden auf eine Gegendemonstration vor. Ein Kleber am Autoheck provozierte die Leute: Es war das Logo der rechtsextremen Türken-Partei «Graue Wölfe».

«Darum griffen sie uns sogleich an», sagt A. Die junge Türkin (31) sass mit der Tochter des Fahrers (21) auf der Rückbank des Mercedes-Kombi.

Prügel mit Stahlstangen, Messerstich im Hals

«Die Kurden zerrten den Beifahrer (53), einen Freund meines Cousins, aus dem Auto und schlugen ihn zusammen. Er stieg aus und versuchte ihm zu helfen. Sie hatten keine Chance, stürzen zu Boden und wurden brutal mit Eisenstangen verprügelt.»

Als die Tochter des Fahrers auf dem Rücksitz zu schreien beginnt, rappelt sich der blutüberströmte Vater auf und setzt sich wieder ans Steuer. «Wir wollten alle nur weg», erzählt A. «Es war wie in einem Zombiefilm.»

Der Mann gibt Gas, der Mercedes der Türken fährt zum ersten Mal durch die Gruppe der Kurden.

Dann hätten die Türken das Auto eines Bekannten gesehen. Drin sassen die beiden Töchter des Beifahrers. Auch auf diesen Wagen prügelten die Kurden mit Stangen ein. «Fast alle im Auto wurden verletzt. Der Mann auf dem Beifahrersitz kassiert einen Messerstich in den Hals.» Einer Tochter sei der Arm gebrochen worden.

Familie erhält Todesdrohungen

Dann kam es zum zweiten Crash mit den demonstrierenden Kurden. «Wir wollten einfach nur wieder hoch zu der Polizei. Wir wollten keine Menschen überfahren.» Jetzt würde ihre Familie Todesdrohungen erhalten, sagt A.

Laut einer Polizeimitteilung von heute wurden bei der Amokfahrt fünf Personen verletzt, zwei mussten wie auch der Lenker des Mercedes-Kombi mit der Ambulanz ins Spital gebracht werden. Auch der zweite Autolenker wurde verletzt. Es bestehen aber unterschiedliche Angaben wie dies geschah. Ob gegen einen der Beteiligten ein Verfahren eröffnet worden sei, wollte die Polizei nicht sagten. Im Moment sei auch niemand in Haft.

Die Ermittlungen würden noch laufen. Insgesamt wurden bei der Auseinandersetzung 22 Menschen verletzt.

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