Trotz schwerem Los für Bäuerinnen
Diese jungen Frauen wagen es

Eine neue Generation von Bäuerinnen fordert heute ganz selbstverständlich ihre Rechte ein. Damit werden sie das Leben auf den Schweizer Bauernhöfen revolutionieren.
Publiziert: 10.09.2017 um 14:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 10:50 Uhr
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Severine Stehli (27) aus Maschwanden ZH: «Eine perfekte Bäuerin muss auch mal mit Freundinnen ins Wellness-Wochenende.»
Foto: Sabine Wunderlin
Aline Wüst

Bäuerinnenschulen erleben ­einen Boom. Im landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen AG ist Lisa Vogt für die Ausbildung der jungen Frauen verantwortlich. 2003 unterrichte sie erst zwölf Schülerinnen. Heute absolvieren mehr als siebzig den Fachkurs Bäuerin.

Als Gründe dieser Nachfrage sieht Vogt die Sehnsucht nach Bodenständigkeit und Verwurzelung: «Es ist ein Ausgleich zur virtuellen Welt.» Den Frauen gehe es aber auch darum, Fachwissen aus einer externen Quelle zu schöpfen, um dem Partner in Themen der Unternehmensführung auf Augenhöhe zu begegnen.

Für die Ausbildnerin ist klar: Junge Frauen, die von aussen kommen, sind eine grosse Chance für die Höfe. Sie bringen mehr Selbstbewusstsein mit als früher und Ideen aus einer anderen Familien- und ­Lebenskultur. Ganz selbstverständlich fordern sie einen Lohn für ihre Arbeit. Sie haben einen Beruf gelernt, behalten häufig ihre externe Tätigkeit bei und leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Einkommen der Betriebe.

Wenn ihnen alles zu nah und zu eng wird, wehren sie sich und finden, dass hin und wieder ein paar freie Tage genauso zu ihrem Leben gehören wie Kühe zu melken.

Christine Bühler, Präsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, glaubt fest daran, dass mit diesen jungen Frauen ein Wandel auf den Bauernhöfen stattfinden wird. Sie hofft, dass die Bäuerinnen dadurch künftig die Früchte ihrer Arbeit selber ernten können.

Grünen-Nationalrätin Maya Graf (BL), selber Biobäuerin, setzt sich für die Rechte ihrer Berufskolleginnen ein. Auch sie glaubt an den Wandel. Ein wichtiger Schritt jedoch sei noch zu tun: «Bauern müssen ihre Höfe auch an Töchter weitergeben.» ­Heute ist es noch immer der Normalfall, dass die Söhne den Hof über­nehmen.

Severine Stehli (27) aus Maschwanden ZH: «Eine perfekte Bäuerin muss auch mal mit Freundinnen ins Wellness-Wochenende.»
Foto: Sabine Wunderlin

Severine Stehli (27) Maschwanden ZH

«Ich bin eine Bauerntochter und ­gelernte Pflegefachfrau. Meinen Job möchte ich nie ganz aufgeben. Zurzeit mache ich die Ausbildung als Bäuerin, weil ich nicht will, dass meine Eltern den Hof einmal verkaufen müssen. Schliesslich haben hier schon meine Grosseltern gelebt und gearbeitet. Ich liebe es, draussen zu sein und zu wissen, wie ich mich selber versorgen kann. Eine perfekte Bäuerin muss auch mal mit Freundinnen in ein Wellness-Wochenende – unbedingt! Sie muss ausserdem verschiedene Rollen einnehmen können, ist naturverbunden und kann sich gut abgrenzen. Denn es gibt im Leben nicht nur den Hof, sondern noch viele andere schöne Dinge. Ich könnte mir vorstellen einmal mit einem meiner Brüder zusammen den Betrieb zu führen.»

Marina Schärli (31) aus Schmiedrued AG: «Ich arbeite meist im Stall. Mein Mann arbeitet auswärts.»
Foto: Sabine Wunderlin

Marina Schärli (31) Schmiedrued AG

«Ich wollte nie den Bauernhof übernehmen und nie einen Bauer als Mann. Jetzt habe ich beides – und bin glücklich. Ich arbeite meist im Stall. Mein Mann arbeitet auswärts. Sein fixes Gehalt ist mir wichtig. Auch weil wir ein Kind haben. Gerade der Preis von Schweinefleisch schwankt ja stark. Bis ich den Hof ganz übernehme, arbeite ich mit meinem Vater zusammen. Das ist schön. Manchmal gibt es zwar schon Diskussionen, ist ja klar. Mein Vater hat den Hof schliesslich 40 Jahre geführt, hat seine festen Arbeitsab­läufe. Ich mache halt einige Dinge anders. Kürzlich haben wir das Stöckli fertig gebaut. Es ist gut, wenn nach der Arbeit beide durch ihre eigene Tür in ihr eigenes Zuhause gehen können. Die Ausbildung bis zum eidgenössischen Fachausweis mache ich, damit ich das nötige Fachwissen habe und später berechtigt bin, Direktzahlungen zu erhalten für die Leistungen, die wir für die Landschaft bringen.»

Marina Bühlmann (28) aus Maschwanden ZH: «Ich bin Hochbauzeichnerin und habe einen Landwirt geheiratet.»
Foto: Sabine Wunderlin

Marina Bühlmann (28) Maschwanden ZH

«Ich bin Hochbauzeichnerin und habe ­einen Landwirt geheiratet. Wir haben ein Kind, ich arbeite einen Tag auswärts und den Rest der Woche auf dem Hof. Für die Arbeit auf dem Bauernhof bekomme ich einen Lohn, habe eine Sozialversicherung und AHV. Das war meinem Mann genauso wichtig wie mir. Von meiner Schwiegermutter habe ich viel gelernt. Von ihrem Gemüsegarten gehört jetzt eine Hälfte mir. Das macht mir viel Freude. Mein Wunsch ist es, selbständig zu arbeiten, deshalb mache ich diese Ausbildung. Bäuerin sein ist schön und anspruchsvoll. Abschalten ist schwierig, weil man die Arbeit die ganze Zeit um sich hat. Zusammenzuleben und -zuarbeiten, bietet auch Konfliktpotenzial. Aber mein Mann und ich können über alles reden. Ich bin glücklich als Bäuerin.»

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