Kurz vor 6.30 Uhr in einer Kita in Adliswil ZH. Die ersten Eltern bringen ihre Sprösslinge. Es ist eisig kalt, viele der Kinder sind angeschlagen. Einige husten. «Sie müssten eigentlich daheim im Bett liegen, doch die Eltern haben sie mit Zäpfli vollgestopft und denken, dass wir nichts merken», sagt Krippenleiterin Andrea Brunschwiler (45).
Fiebrige, hustende Kinder, die voll mit Medikamenten in die Krippe kommen – das ist mittlerweile bittere Realität. «Immer mehr Eltern bringen uns die Kinder krank, das stellt uns vor grosse Probleme», sagt Brunschwiler, die seit 20 Jahren im Geschäft ist. Noch schlimmer: «Die Eltern lügen uns frech ins Gesicht und behaupten, ihr Kind sei gesund, dabei hat es über 39 Grad Fieber und Durchfall.»
Kranke Kinder stecken die wenigen Gesunden an
Die Folgen sind gravierend: Kranke Kinder stecken gesunde an. Betroffen ist aber auch das Personal. «Besonders Praktikanten, deren Immunsystem noch nicht abgehärtet ist, haut es rasch ins Bett», sagt Brunschwiler. «Als Folge fehlt uns dann natürlich Personal.»
Vor Weihnachten war das Problem in Adliswil so akut, dass Brunschwiler die Kita vorzeitig schliessen musste. Über die Hälfte der Belegschaft lag krank im Bett – und eine Betreuerin alleine darf den Betrieb von Gesetzes wegen gar nicht offenhalten. «Es ist ein Rattenschwanz und gegenüber den anständigen Eltern höchst unfair, schliesslich zahlen sie und haben ein Recht auf Betreuung», sagt Brunschwiler.
Mahnung per Post
Die Leiterin hat nun allen Eltern einen ersten Mahnbrief geschickt. Sie warnt: «Nützt das alles nichts, werden Eltern gebüsst, die ihre Kinder krank in die Kitas bringen. So kann es schliesslich nicht weitergehen!»
Nadine Hoch, Geschäftsleiterin vom Verband Kinderbetreuung Schweiz, kennt das Problem. Sie nimmt die Eltern in Schutz und wirbt für Verständnis: «Es kann immer sein, dass ein Kind von der einen auf die andere Sekunde Fieber bekommt.» Ausserdem sei der Druck in der Arbeitswelt sehr hoch. «Die Mütter sind oft schon nur Teilzeit im Büro. Wenn sie dann durch die Krankheiten ihrer Kinder noch ständig abwesend sind, macht es ihre Situation noch prekärer.» Der Ausweg? Im Moment wohl nur das schnelle Ende der Grippesaison.