SonntagsBlick: Herr Galliker, in Grossbritannien bleiben derzeit viele Verkaufsregale leer, weil der britischen Transportindustrie rund 100'000 Fahrer fehlen. In Deutschland warnen Experten, dass in zwei, drei Jahren ein ähnlicher Versorgungskollaps droht. Wie sieht es bei uns aus?
Rolf Galliker: Die Situation in der Schweiz ist deutlich besser als im Rest Europas. Zwar gehen in den kommenden Jahren auch hierzulande sehr viele Chauffeure in Pension und es ist seit Jahren eine Herausforderung, guten Nachwuchs zu finden. Das geht aber fast allen handwerklichen Branchen so. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Schweiz muss sicher keine Angst haben vor Versorgungsengpässen.
Was hat die Schweiz besser gemacht?
Die Schweizer Transportunternehmen haben früh erkannt, dass sie in die Ausbildung des Personals investieren müssen. So haben sie es geschafft, den Chauffeurberuf attraktiv zu halten. Galliker hat bereits 1984 begonnen, die Chauffeure selbst auszubilden. Wer bei uns einen Dreijahresvertrag unterschreibt, bekommt im Gegenzug die komplette Fahrerausbildung bezahlt. Kostenpunkt: 10'000 bis 15'000 Franken. Dieses Engagement wurde unter anderem nötig, weil die Schweizer Armee im Laufe der Zeit immer weniger Fahrer ausgebildet hat. Jetzt profitieren wir davon.
Rolf Galliker (56) ist Verwaltungsratspräsident der Galliker Transport AG mit Sitz in Altishofen LU. Er führt das Familienunternehmen mit seinem Bruder Peter (58) und seiner Schwester Esther (53) in dritter Generation. Gegründet wurde Galliker 1918 mit Ross und Wagen. Heute beschäftigt der Konzern mehr als 3000 Mitarbeiter und hat Standorte in Belgien, Italien, Schweden und der Slowakei.
Rolf Galliker (56) ist Verwaltungsratspräsident der Galliker Transport AG mit Sitz in Altishofen LU. Er führt das Familienunternehmen mit seinem Bruder Peter (58) und seiner Schwester Esther (53) in dritter Generation. Gegründet wurde Galliker 1918 mit Ross und Wagen. Heute beschäftigt der Konzern mehr als 3000 Mitarbeiter und hat Standorte in Belgien, Italien, Schweden und der Slowakei.
In der Schweiz verdient ein Chauffeur in der Regel zwischen 5000 und 6000 Franken pro Monat. Das ist im internationalen Vergleich recht viel. Welche Rolle spielt dieser Aspekt?
Das höhere Lohnniveau ist bei der Personalrekrutierung sicher eine Hilfe, aber nicht ausschlaggebend. LKW-Fahrer, die nur innerhalb von Deutschland unterwegs sind, haben auch anständige Löhne. Die Probleme in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern haben eine andere Ursache: Die dortigen Transportunternehmen haben über viele Jahre hinweg fast ausschliesslich günstige Fahrer aus Osteuropa eingestellt und den Stand der einheimischen Fahrer verkümmern lassen. Lange Zeit schien dieses Reservoir unerschöpflich. Jetzt zeigt sich, dass das keine nachhaltige Strategie war.
Wieso nicht?
Die Lebensqualität in vielen osteuropäischen Ländern ist gestiegen. Es sind deshalb immer weniger Fahrer bereit, wochenlang von zu Hause fort zu sein, um mit dem Lastwagen quer durch Europa zu fahren. Junge Polen werden heute lieber Informatiker als LKW-Fahrer. Das spüren nun die westeuropäischen Transportfirmen. Jetzt rächt es sich, dass sie die Ausbildung im eigenen Land komplett vernachlässigt haben. Der Chauffeurberuf hat in vielen Ländern an Ansehen verloren, nicht zuletzt bei den Jungen. Die Krise in Grossbritannien, die durch den Brexit ausgelöst wurde, hat diese Problematik bloss beschleunigt und sichtbar gemacht.
Haben Schweizer Transportfirmen wie Galliker nicht genauso auf osteuropäische Fahrer gesetzt?
Natürlich werden teilweise auch hierzulande Fahrer aus Osteuropa eingestellt. Den Grossteil rekrutieren wir allerdings in der Schweiz. Zudem ist zu bemerken, dass alle Fahrer, die in der Schweiz angestellt und arbeitstätig sind, denselben Mindestlohnanforderungen entsprechen müssen wie Schweizer Fahrer. Egal, welche Nationalität sie haben.
Galliker ist auch im Ausland tätig. Wie können Sie preislich konkurrenzfähig sein, wenn Sie Ihren Chauffeuren Schweizer Löhne bezahlen müssen?
Wer in der Schweiz zu einem Schweizer Lohn angestellt ist, der ist in der Regel auch nur in der Schweiz tätig. Schweizer Fahrer, die quer durch Europa fahren, gibt es kaum mehr. Unsere Fahrer können in der Regel täglich zu Hause übernachten und auch in einem Verein aktiv sein. Wenn ein ausländisches Unternehmen innerhalb der Schweiz tätig sein will, muss es sich wiederum an die hier geltenden Mindestlöhne halten. Dafür sorgt der Lohnschutz.
Und was ist mit dem internationalen Geschäft?
Bei den Langdistanzen im grenzüberschreitenden Wettbewerb gibt es den grössten Kosten- und Lohndruck. Hier spüren wir auch bei Galliker den Personalmangel. Unsere Ableger in Belgien und der Slowakei müssen sich mehr anstrengen als früher, um gute Leute zu finden. Vor zehn Jahren kamen Interessierte von sich aus auf uns zu, heute müssen wir Inserate schalten. Da wir unseren Leuten jedoch auch in diesen Ländern eine gute Ausbildung und attraktive Arbeitsbedingungen bieten, sind wir aber gut aufgestellt.
Was ist aus Ihrer Sicht nötig, um die europäische Krise zu beenden?
Jedes Land sollte wieder genügend Fahrer ausbilden, um die nationale Logistik zu gewährleisten. Das geht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern wird Jahre dauern.
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