Top-Unternehmer und Patrons halten nichts von flachen Hierarchien
Ohne Chef gehts nicht!

Immer mehr Unternehmen setzen auf flache Hierarchien oder lassen die Strukturen in Modellen wie Holacracy aufgehen. Was sagen Schweizer Patrons dazu?
Publiziert: 31.08.2017 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:20 Uhr
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«Einer muss den Kopf hinhalten, wenn etwas schiefgeht.» Oswald Grübel, Ex-Chef von CS und UBS
Foto: keystone
Vinzenz Greiner, Konrad Staehelin

Den Traum, sein eigener Chef zu sein, kann man sich auch als Angestellter erfüllen. Denn immer mehr Firmen schaffen Chef-Posten ab. Beim Telekom-Konzern Swisscom etwa arbeitet schon fast jeder Zehnte ohne Chef – bald soll es mehr als die Hälfte der Belegschaft sein (BLICK berichtete).

«Wir stellen fest, dass flexible Organisationsformen in Firmen zunehmen und in manchen Fällen traditionelle Hierarchien überflüssig machen können», sagt auch Angelika Reich (31), Partnerin bei der Unternehmensberatung McKinsey. Doch was Reich einen «Trend» nennt, ist für Schweizer Top-Unternehmer und Patrons Unsinn. «Ich halte hierarchielose Strukturen für Firlefanz», sagt der Zürcher FDP-Ständerat und Unternehmer Ruedi Noser (56) zu BLICK. «Irgendjemand muss immer die Verantwortung tragen, schon alleine wegen Haftungsfragen.»

Kurz: Ohne jemanden, der die Konsequenzen von Entscheiden trägt, geht es nicht. Das hat Oswald Grübel (71) am eigenen Leib erfahren – besser gesagt am eigenen Kopf. In Risikobranchen wie dem Bankensektor sei arbeiten ohne Chef unmöglich. «Da muss einer den Kopf hinhalten, wenn etwas schiefgeht», sagt der Ex-Chef der Credit Suisse und UBS. Grübel nahm als UBS-Chef den Hut, als der Trader Kweku Adoboli (37) im Alleingang 2,3 Milliarden Dollar verzockte. «Ich wusste nicht, was er tat. Doch sein Betrug hatte eine Grössenordnung, bei der nur ich die Konsequenzen tragen konnte», erklärt Grübel.

Bei flachen Hierarchien täten alle nur das, wofür sie sich direkt verantwortlich fühlten. Ein guter Chef sei dagegen für alle seine Mitarbeiter verantwortlich, sagt Grübel in der Sprache des Patrons. «Verantwortung ist nicht teilbar.»

Ems-Chefin will klare Verantwortlichkeiten

Auch Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher (48) findet: Es geht nicht ohne Chef. Für eine gute Bedienung der Kunden braucht es klare Verantwortungen. «Für eine gute Bedienung der Kunden braucht es klare Verantwortungen. Diese ist bei Teams nicht klar. Vor allem für Misserfolge fühlt sich dann niemand verantwortlich!»

Das wäre vor allem bei KMU ein Problem, die mit 3,5 Millionen Vollzeitstellen das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft bilden. Denn hier hält der Chef nicht nur den Kopf hin, sondern im Zweifel seine ganze Existenz.

«Der Patron ist der Besitzer, hat eigenes Kapital investiert und trägt damit das Risiko», sagt Thomas Minder (56), Schaffhauser Ständerat und selbst Patron. Zwar legt Minder Wert darauf, all jene Mitarbeiter seiner Natur-Kosmetikfirma in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, die davon betroffen sind. Das letzte Wort hat aber: Thomas Minder.

«Patrons sind von Natur aus Respektspersonen»

«Sicher fällt der Patron im Zweifel den Stichentscheid.» Also jener, der laut Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler (59) «mit Namen für die Firma einsteht und persönliche Verantwortung übernimmt». Für den FDP-Nationalrat entsteht die Hierarchie-Pyramide ganz natürlich: «Patrons sie sind von Natur aus Respektspersonen.» Auch in den nächsten 20 Jahren würde sich diese Art der Hierarchie nicht ändern.

SP-Nationalrätin und IT-Unternehmerin Jacqueline Badran (55) sieht das anders. «Hierarchien sind ein Effizienzkiller und fressen nur 40 bis 60 Prozent der Kapazitäten auf, ohne einen Mehrwert zu bringen», sagt Badran zu BLICK. Wird jemand angestellt, darf er, ebenso wie Badran und jeder andere Mitarbeiter, auch sein Veto einlegen. Seit 17 Jahren sei die Hierarchie in ihrem Unternehmen «komplett flach».

Im Gegensatz zu Badran ist Noser selbst nicht mehr als Chef in seiner hierarchisch strukturierten Firma tätig, sondern lediglich als Verwaltungsrat. «Ich habe mich als Chef abgeschafft.» Und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Ich sitze ja im Ständerat.»

Wer hat bei Ihnen das Sagen?

Zürich – Bei der Swisscom wird in ein paar Jahren mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden keinen Chef mehr ­haben. Und Sie? Gibts in Ihrem Unternehmen auch keine Hierarchien mehr? Oder haben Sie ein anderes untypisches Organisationsmodell, das BLICK- Leser interessieren könnte? Schicken Sie uns bis heute Mittag ein E-Mail an blickwirt@ringier.ch oder eine Nachricht per Whatsapp auf 079 813 80 41. Danke fürs Mitmachen!

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