Er ist kaum grösser als ein Daumen. Doch Wissenschaftler auf der ganzen Welt fahren auf ihn ab! Auch die beiden Basler Pharma-Giganten Roche und Novartis heissen den putzigen Zebrafisch willkommen. Roche baut gerade zwei Aquarienräume. Bis Ende Jahr sollen dort Tausende Fische einziehen. Ein speziell ausgebildeter Tierpfleger wurde schon angestellt, wie im Mitarbeitermagazin «My Roche» nachzulesen ist.
Welches Geheimnis trägt der Zierfisch in sich, den man auch in vielen privaten Aquarien antrifft?
Erstens ist der Winzling wenig anspruchsvoll und sehr fortpflanzungsfreudig. Pro Woche legt ein Weibchen bis zu 200 Eier. Die Fischchen schlüpfen schon nach wenigen Tagen. Forschungsmaterial ist also genug vorhanden. Zweitens ist das Wirbeltier dem Menschen erstaunlich ähnlich. «Für etwa 70 Prozent der menschlichen Gene finden sich Entsprechungen in Zebrafischen», sagt Roche-Mediensprecher Stepan Kracala.
Dieser zweite Punkt ist entscheidend. Denn es ist klar: Das Interesse der Wissenschaftler am Zebrafisch erklärt sich nicht mit reiner Tierliebe. Der Fisch, der sonst in indischen Flüssen und Reisfeldern zu Hause ist, macht darum der Laborratte Konkurrenz. «Mit Zebrafischen lässt sich schnell feststellen, ob ein potenzieller Wirkstoff gravierende Nebenwirkungen haben könnte», erklärt Kracala. Roche entwickelt Medikamente gegen die unterschiedlichsten Leiden, darunter Krebs, Infektions- oder Augenkrankheiten. Der Zebrafisch soll neue Heilmittel möglich machen.
Solche Aussagen machen Andreas Item (42) von der Aktionsgemeinschaft Schweizer Tierversuchsgegner wütend: «Der ständig versprochene Durchbruch ist ein Spiel mit der Hoffnung!»
Beispiel Krebsmaus: Sie wurde vor 20 Jahren im Labor entwickelt und neigt dazu, an Tumoren zu erkranken. Dank der Krebsmaus – das war damals die Hoffnung – könne die schreckliche Krankheit endlich besiegt werden. Davon sei man heute aber weit entfernt, sagt Tierschützer Item. «Der Zebrafisch ist bei den Forschern nur deshalb so beliebt, weil er so unkompliziert ist.»
Immerhin sagt Hansueli Huber (60), Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes: «Wir treffen uns dreimal jährlich mit Roche. Die Firma ist uns gegenüber sehr offen.» Im Gegensatz zu Universitäten und ETH nehme in der Industrie die Zahl der Tierversuche ab.
Gemäss Roche sind Tierversuche immer noch die einzige Möglichkeit, um Nebenwirkungen von Medikamenten verlässlich zu testen. Es würden «höchste ethische Standards» bei der Tierhaltung eingehalten, versichert der Pharmakonzern. Roche-Sprecher Kracala sagt, heute seien 98 Prozent der eingesetzten Tiere Nager – also Mäuse und Ratten.
Aber: Bewährt sich der Zebrafisch, plant Roche 2019 eine grosse Aquaristik-Anlage. Wie viel Geld die Pharmakonzerne in die Fischforschung stecken, geben weder Roche noch Novartis bekannt.