Samuel Büechi von der IG Stiller hatte Ende Juli in Trogen AR, Speicher AR und in der Notkersegg bei St. Gallen weidende Kühe mit grossen Glocken fotografiert und die Bilder an Veterinärämter und Medien geschickt. Die Behörden wurden gebeten, die Fälle zu untersuchen.
Bei längerem Tragen könnten die Glocken Schürfwunden an den Hälsen der Kühe verursachen, kritisierte die IG Stiller. Dies sei Tierquälerei und verletze die Würde der Tiere. Von Seiten der Landwirtschaft werde zu Unrecht behauptet, dass grosse Glocken nur für Alpaufzüge und -abzüge verwendet würden.
Das Ausserrhoder Veterinäramt reagierte auf die Vorwürfe: Es führte umgehend auf Bauernhöfen unangemeldete Kontrollen durch, wie der Kantonstierarzt beider Appenzell, Sascha Quaile, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mitteilte.
Die Kontrolleure richteten ihr Augenmerk auf die Einhaltung der Tierschutzvorschriften. Insbesondere seien die Tiere auf Verletzungen und Schürfwunden am Hals untersucht worden. «Dabei konnte nichts dergleichen festgestellt werden», schrieb Quaile.
Zum gleichen Resultat kam das St. Galler Veterinäramt bei einer Kontrolle des Bauernhofs in der Notkersegg: Keine der 25 Kühe wiesen eine Verletzung im Halsbereich auf, wie die Behörde der IG Stiller mitteilte. Eine Glocke habe nur die Leitkuh auf der Weide getragen.
«Da ja nicht nur St. Galler Landwirte Kühe mit kleineren und grösseren Glocken versehen», schickte das St. Galler Veterinäramt das kritische Schreiben der IG Stiller ans Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zur Beurteilung der Sache weiter.
Der Mediensprecher des BLV, Stefan Kunfermann, verwies in einer Stellungnahme auf eine kürzlich von der ETH Zürich veröffentlichte Studie. Diese zeigte, dass Kühe sensibel auf das Tragen von Glocken reagieren: So wurden Änderungen im Fressverhalten, beim Wiederkäuen und beim Liegen festgestellt.
Die Studie biete aber «keine wissenschaftliche Basis, um speziell schwere oder laute Glocken zu definieren und zu verbieten», schreibt das BLV. Dazu hätten die Tiere längerfristig beobachtet werden müssen. Die Studie basierte auf 5,5 Kilogramm schweren Glocken mit einer Lautstärke von 90 bis 113 Dezibel, was etwa dem Geräusch eines Dieselmotors entspricht.
Sofern Kühe durch das Tragen von Glocken Schürfwunden erlitten, genüge das bestehende Tierschutzrecht, um dies zu ahnden, heisst es in der Stellungnahme des BLV weiter. Für die Beurteilung von Einzelfällen seien die kantonalen Veterinärämter zuständig.
Die IG Stiller kämpft seit 2004 in der ganzen Schweiz gegen übermässigen Glockenlärm. In Trogen AR erreichte sie nach jahrelangem Streit 2009, dass der Turm der reformierten Kirche mit Schallschutzwänden versehen wurde, um das Glockengeläut zu dämpfen. Dieses hatte Anwohner in der Nachtruhe gestört.