Eigentlich sind die Vögel gut auf Hitze und Trockenheit vorbereitet, wie der Biologe Livio Rey, Sprecher der Vogelwarte Sempach, auf Anfrage von Keystone-SDA erklärte. Mit einer Körpertemperatur von rund 42 Grad und einem ausserordentlich geringen Wasserbedarf sind sie bestens gerüstet für Wetter, wie es in diesem Sommer geherrscht hat.
Selbstverständlich bevorzugen auch sie bei hohen Temperaturen schattige Orte, beispielsweise Gärten mit einheimischen Bäumen. Dort ist auch das Nahrungsangebot vielfältiger und besser als an unbegrünten Orten.
Generell hat das Wetter einen Einfluss. Für sogenannte Kurzstreckenzieher, die innerhalb Europas ins Winterquartier fliegen, ist es aber weniger ein Problem. Rotmilane, die von der Vogelwarte Sempach mit einem Sender bestückt worden waren, sind beispielsweise innerhalb von drei Tagen von der Schweiz nach Spanien geflogen.
Für sie ist es also kein Problem, je nach Witterung loszufliegen. Wenn die Winter wärmer werden, so finden sie auch in der Schweiz mehr Nahrung und können länger hier ausharren. Dies lässt sich etwa bei Bachstelzen, Star, Ringeltauben, Weissstorch oder eben Rotmilanen beobachten: «Sie können relativ schnell reagieren: Wenn es plötzlich kalt wird, so sind sie rasch in Spanien», sagt Rey.
Problematischer wird es allerdings für die sogenannten Langstreckenzieher, die den Winter in Afrika verbringen. «Sie haben keine Ahnung, wie das Wetter bei uns ist», sagt Rey. Ihr «genetisches Programm» sagt ihnen, wann sie losfliegen müssen. So kommen sie immer etwa zur gleichen Zeit in Mitteleuropa an.
Die Natur hat es so eingerichtet, dass zu diesem Zeitpunkt auch am meisten Nahrung vorhanden ist. Das könnte sich durch die Klimaerwärmung ändern: Es droht ein sogenanntes «Miss-timing» - das heisst, sie kommen zu einer Zeit an, wenn die Nahrungsvielfalt nicht auf dem Höhepunkt ist.
Die Folgen davon können ein schlechter Bruterfolg sein, oder die Fitness der Vögel ist nicht top. «Wenn sie dann nach Afrika ins Winterquartier fliegen, so sterben mehr Individuen, weil sie für den Flug in weniger guter Verfassung sind», sagt der Vogelspezialist, «und das kann über längere Zeit gesehen problematisch für eine Vogelart werden».
Es gibt aber Anzeichen, dass sich die Vögel dem Klimawandel anpassen. Da die genetische Veränderung aber nur sehr langsam vor sich geht, könnte der Klimawandel für viele Vogelarten zu schnell gehen, um sich den geänderten Bedingungen anzupassen.
Eine Studie der Vogelwarte Sempach aus dem Jahr 2003 zeigte, dass Langstreckenzieher ihre Migration erheblich früher antreten als Kurzstreckenzieher, bei denen eine verspätete Migration festgestellt wurde. Offenbar versuchten die Langstreckenzieher, die Sahel-Zone noch vor der dort beginnenden Trockensaison zu durchfliegen. Dies wurde dadurch möglich, dass die Brutzeit vorverlegt wurde und auch früher endete.
Im Gegensatz dazu haben Kurzstreckenzieher generell ihren Herbstflug später angesetzt. Sie verbringen den Winter im Mittelmeerraum, wo angesichts der Klimaerwärmung mildere Bedingungen vorherrschen. Für diese Erkenntnisse waren während einer Periode von 42 Jahren 65 Vogelarten an der Beringungsstation der Vogelwarte Sempach am Col de Bretolet in den Walliser Alpen erfasst worden.
Dort werden jährlich 10'000 bis 20'000 Vögel von mehr als 100 Arten beringt. Datum und Tageszeit der Fänge geben anschliessend Aufschluss über das jahres- und tageszeitliche Auftreten der Zugvögel, und dank Messungen von Grösse, Gewicht, Fettpolster und Muskelzustand lässt sich auch die Körperkondition der Zugvögel beurteilen.