Thurgauer Zelle – Verfahren abgeschlossen
Nur ein Mafioso kam davon

18 Mitglieder wurden von Ermittlern als Mitglieder der Frauenfelder Mafia-Zelle identifiziert. Inzwischen sitzen fast alle in Italien hinter Gittern. Im Fall von Giovanni T. stellte die Bundesanwaltschaft das Verfahren nun ein.
Publiziert: 13.07.2019 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 08:16 Uhr
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Für die Bundesanwaltschaft unter Leitung von Michael Lauber ist die Einstellung des Verfahrens gegen Giovanni T. ein weiterer Flop.
Foto: Blick
Cyrill Pinto

Die Bilder aus dem Boccia-Club in Wängi TG gingen um die Welt. Erstmals war eine Zelle der kalabrischen Mafia, der ’Ndrangheta, bei einem Treffen gefilmt worden. Auf den verschwommenen Schwarz-Weiss-Aufnahmen konnte jeder sehen und hören, wie sich die Klubmitglieder in mafia typischer Sprache begrüssten und unterhielten. Auch kriminalistisch war es eine Sensation: Erstmals wurde zweifelsfrei ein Ableger des Geheimbundes im Ausland nachgewiesen.

Nach ihrer Enttarnung kamen die in der Ostschweiz lebenden ­Mafiosi in Auslieferungshaft, um den italienischen Behörden übergeben zu werden. Bis das geschah, vergingen fast drei Jahre. Im Frühjahr nun wurden die letzten von ihnen in Italien zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Nur der in Frauenfeld wohnhafte Giovanni T.* konnte nicht ausgeliefert werden, weil der eingebürgerte Schweizer gleich zu Beginn des Verfahrens auf seine italienische Staatsbürgerschaft verzichtete.

Flop für die Bundesanwaltschaft

Das Verfahren gegen ihn wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation musste deshalb in der Schweiz geführt werden. Nun endete es mit einem Flop für die Bundesanwaltschaft (BA): Sie musste das Verfahren gegen T. sang- und klanglos einstellen.

Gemäss der inzwischen rechtskräftigen Verfügung, die SonntagsBlick vorliegt, reichten die Hinweise nicht, um ihn anzuklagen. Weiter geht aus dem Dokument hervor, dass die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen die Frauenfelder Zelle im Jahr 2009 begann. Hinweise aus Italien und ein Ermittlungsverfahren gegen den in der Ostschweiz wohnhaften Fabrizio D.* hatten den Anfangsverdacht dazu geliefert.

Um den Mafiosi auf die Spur zu kommen, setzte die BA zusammen mit der Bundeskriminalpolizei ihre gesamte Palette an Überwachungsmöglichkeiten ein: T. wurde von Januar 2010 bis Frühling 2012 observiert – teilweise sogar grenzüberschreitend, bis ins deutsche Konstanz.

Auslieferung war im Fall von Giovanni T. nicht möglich

Die Einstellungsverfügung erwähnt auch die Überwachung im Boccia-Club: Vom Dezember 2010 bis Frühjahr 2012 zeichneten mehrere Kameras jede Bewegung im Lokal und davor auf. Nicht nur der Saal, auch der Eingang sowie der Parkplatz in Wängi waren verwanzt. Die verdeckte Ermittlung dauerte bis im Juli 2012.

Erst zwei Jahre später, im Sommer 2014, schnappte die italienische Polizei die beiden Führungs­figuren der Frauenfelder Zelle und veröffentlichte ohne jede Absprache das von den Schweizern erstellte Überwachungsvideo.

Die von den Ereignissen überrumpelte Bundesanwaltschaft traf daraufhin mit den italienischen Behörden die Abmachung, dass die in der Schweiz wohnhaften Mafiosi nach Italien ausgeliefert werden sollen. Nur im Fall von Giovanni T., der mit einer Schweizerin verheiratet ist, war das nicht möglich, weshalb ihn ein Gericht in Reggio Calabria im letzten Sommer freisprach.

Einen Teil von T.s Anwaltskosten übernimmt der Staat

Nun ist auch das Parallelverfahren in der Schweiz beendet – durch Einstellung per Juni 2019. Warum reichten die vorliegenden Beweise nicht, um den Mann in der Schweiz vor Gericht zu stellen? Dazu will sich die BA nicht äussern: Die Einstellungsverfügung sei ein abschliessendes Dokument, «darüber hinaus machen wir keine Angaben». Eine beantragte Genugtuung lehnte die Bundesanwaltschaft jedoch ab, lediglich einen Teil von T.s Anwaltskosten übernimmt der Staat.

Dessen Anwalt Stefan La Ragione ist froh, dass das Verfahren gegen seinen Mandanten eingestellt ist. Zurück bleibt nur das Gefühl der Ungleichbehandlung.

Von den verurteilten ­Mafiosi wurde T. laut La Ragione deshalb bedroht: «Sie sagten ihm, er werde schon noch bekommen, was ihm zustehe.» 

* Namen geändert

R. A. wurde vom Kassationsgericht in Rom am 29.11.2019 letztinstanzlich vollumfänglich freigesprochen.


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