Als Gerichtspräsident Daniel Aeschbach um Punkt zehn Uhr mit seiner rechten Hand zum schwarzen Holzhammer greift und damit langsam und gleichmässig vier Mal auf den Tisch klopft, hat die Spannung im provisorischen Gerichtssaal in Schafisheim AG ihren Höhepunkt erreicht. Drei Minuten zuvor hatte der Angeklagte Thomas N. (34) zusammen mit seiner Verteidigerin Renate Senn den Saal betreten. Daraufhin herrschte absolute Stille – bis der Richter sein Urteil bekannt gibt.
Lebenslängliche Haftstrafe
Das fünfköpfige Gericht verurteilt den Vierfach-Killer von Rupperswil in allen Punkten – und spricht die Höchststrafe aus: lebenslänglich! Hinter Gittern muss er eine ambulante Therapie machen, nach Absitzen der Strafe wird N. verwahrt.
Mit seinem Urteil ist das Lenzburger Bezirksgericht auf Forderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung eingegangen. Erstere hatte für lebenslange Haft und lebenslange Verwahrung plädiert – eine Forderung, dem eine Minderheit des Richtergremiums folgen wollte. Die Verteidigung hatte sich für 18 Jahre Knast mit ambulanter Therapie ausgesprochen.
N. muss den Mehrheitsentscheid stehend entgegennehmen. Wie bereits die Tage zuvor ist von ihm kaum eine Regung zu vernehmen. Der Rücken gerade, die Hände gefaltet, die Augen die meiste Zeit geschlossen. Erst bei der Urteilsbegründung, als er wieder neben seiner Verteidigerin sitzt, kommen ihm leichte Tränen. Eine Gefühlsregung, die er sofort mit einem Taschentuch wegzuwischen versucht.
Thomas N. ist egoistisch, primitiv und kaltblütig
Auch bei den Angehörigen der Opfer ist die Reaktion verhalten. Die Mutter der getöteten Simona F. (†21) drückt die Hand ihres Lebenspartners, als Richter Aeschbach begründet, warum der Mörder ihrer Tochter die Höchststrafe verdient hat. N. habe «primitiv, kaltblütig, krass egoistisch, mitleid- und empathiefrei» gehandelt, sagte er. «Das Letzte, was Simona in ihrem Leben sah, war die Hinrichtung ihres Freundes, mit dem sie die vorangehende Nacht verbracht hatte. Die vier Opfer sind vom Beschuldigten regelrecht geschächtet worden.»
Der Richter vergleicht die Tat mit einer Fahrt in einem Auto, in dem zuvor die Bremsen entfernt worden sind. N. habe den Autopiloten eingeschaltet und sich auf den «Highway des Grauens» begeben. «Dort hat er von null auf tausend beschleunigt.»
Eine Horrorfahrt, für die N. büssen muss. Indem ihn das Bezirksgericht zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilt und zusätzlich noch eine Verwahrung ausspricht, scheint es N. auf den ersten Blick gleich doppelt zu bestrafen. In der Realität wird für N. aber beides auf dasselbe hinauslaufen: den Rest des Lebens hinter Gittern zu verbringen.
Rückfallgefahr ist entscheidend für ordentliche Verwahrung
Denn eigentlich ist beides zusammen – lebenslang und danach Verwahrung – in der Realität gar nicht möglich. Das hat sogar das Bundesgericht so festgehalten. So ist die Bedingung für eine bedingte Entlassung aus der lebenslänglichen Freiheitsstrafe, dass man davon ausgehen kann, dass ein Verurteilter nicht wieder rückfällig wird.
Genau diese Rückfallgefahr ist aber auch das entscheidende Kriterium für die ordentliche Verwahrung. Ist sie nicht mehr vorhanden, gibt es auch keinen Grund mehr für eine Verwahrung.
Höhere Hürden
Beides auszusprechen hat dennoch einen Zweck: Die Hürde, dass N. jemals bedingt freikommt, liegt dadurch höher. Dies, da mehr Instanzen dazu grünes Licht geben müssten.
Darüber, ob N. bedingt entlassen wird, entscheidet das Amt für Justizvollzug des Kantons Aargau. Es wird diesen Entscheid frühestens in 13 Jahren – den 15 Jahren Mindest-Haftdauer minus der zwei von N. bereits abgesessenen Jahre – erstmals zu fällen haben. Nach Meinung von Mark Pieth, Strafrechtsprofessor der Uni Basel, wird es im Falle N.s sicher länger dauern: «Ich schätze, dass der Fall Thomas N. erst in zwanzig Jahren wirklich zur Sprache kommt.»
Sollte es tatsächlich einst zum Schluss kommen, dass N. bedingt entlassen werden kann, muss wegen der ausgesprochenen Verwahrung nun aber noch eine zweite Instanz entscheiden. Es ist das Gericht, das die Massnahme angeordnet hat, also das Bezirksgericht Lenzburg.
Der Entscheid, ob auch die Verwahrung aufgehoben wird, stützt sich auf die Anhörung des Täters, einen Bericht der Anstaltsleitung, einer Anhörung einer Kommission und den Bericht eines Gutachters. Es liegt an ihnen allen, dass N. nie freikommt.