Thomas C. reiste vom Aargau in den heiligen Krieg – jetzt deckt die «Bild»-Zeitung auf
Dieser Schweizer plante die Pariser Terrornacht

Thomas C. aus Nussbaumen AG hat die Pariser Terroranschläge mit 138 Todesopfern geplant. Die «Bild»-Zeitung enthüllt am heutigen Jahrestag den Werdegang des Schweizer IS-Führers.
Publiziert: 13.11.2019 um 07:20 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2019 um 11:30 Uhr
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Heute jähren sich die Anschläge in Paris vom 13. November 2015 zum vierten Mal.
Foto: AFP

Heute jähren sich die Pariser Terroranschläge vom 13. November 2015 zum vierten Mal. An jenem Abend ermordeten Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) auf den Strassen der französischen Hauptstadt an verschiedenen Orten 138 Menschen. Es ist der bislang grösste IS-Anschlag in Europa.

Der Anführer der Terrorzelle, der Belgier Abdelhamid Abaaoud, konnte fünf Tage später bei einer Razzia getötet werden. Doch über die Hintermänner des Anschlags wird noch Jahre später spekuliert. Die Frage: Wer hat diesen komplexen Plan ausgearbeitet – und wer hat die Terroristen ausgebildet?

Die Antwort aus Schweizer-Sicht: Es war Thomas C., ein IS-Anhänger aus Nussbaumen AG, der 2013 in den heiligen Krieg zog.

Die Vorgeschichte

BLICK berichtete über Thomas C. im vergangenen Jahr. Im Oktober 2018 gaben deutsche Behörden bekannt, dass ein riesiger Anschlag auf ein Musikfestival in letzter Sekunde vereitelt werden konnte. Immer wieder fiel bei den Ermittlungen der Name Abu Musab – für die Fahnder der Chefplaner des vereitelten Anschlags. Die wahre Identität des IS-Führers nannte BLICK damals: Thomas C.

Doch das war nur einer seiner Aktivitäten, wie sich herausstellt.

Am heutigen Jahrestag der Pariser Terroranschläge deckt die «BILD» auf: Thomas C. alias Abu Musab ist einer der massgeblichen Paris-Drahtzieher. Informationen der Zeitung zufolge ist der schweizerisch-deutsche Doppelbürger der ranghöchste deutschsprachige IS-Terrorist und leitete die Auslandseinheit des IS-Geheimdienstes Amniyat.

Sein Werdegang

Thomas C. kommt 1987 in Nussbaumen AG zur Welt. Seine Kindheit ist schwierig. Die Mutter, die laut «Bild» in der Finanzbranche tätig ist, lässt sich vom Vater scheiden. Nach einigen Jahren in Wettingen AG zieht es ihn via Frankreich nach Frankfurt am Main. In der deutschen Stadt findet C. zum Islam. In dieser Zeit besucht er immer häufiger die Frankfurter Abu-Bakr-Moschee. Hier lernt er wohl auch erstmals den marokkanischstämmigen Prediger Said Emrani alias Abu Dujana kennen, einen radikalen Islamisten. C. konvertiert 2009 zum Islam und heiratet rund zwei Jahre später eine Verwandte seines Predigers Dujana. 2012 bekommt das Paar eine Tochter.

Auch als Vater radikalisiert er sich zusehends. Im März 2013 reist C. schliesslich nach Istanbul. Hier verliert sich seine Spur. Seine Mutter habe im Juli jenes Jahres das letzte Mal Kontakt zu ihm gehabt, schreibt «Bild». Klar ist: Thomas C. hat sich nach Syrien abgesetzt – der Aargauer ist in den heiligen Krieg gezogen. Offenbar hatte er vorgesorgt: 15'000 Euro in bar nahm er mit, dazu sechs Smartphones und zwei Notebooks.

Ankunft in Syrien und Aufstieg

In Syrien steigt C., der sich nun Abu Musab nennt, rasch auf. Er wird 2014 Leiter des Geheimdienstes in Manbij – eine Grossstadt nahe der türkischen Grenze. Manbij war zu jener Zeit einer der wichtigsten Transitpunkte für ankommende IS-Kämpfer aus dem Ausland.

Bald gehts für den Aargauer in der Terror-Hierarchie weiter nach oben. C. lernt den IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani kennen. Der Chef des eigenen Geheimdienstes Amniyat kämpft seit 2003 in den Reihen der Terrormiliz und ihrer Vorläufergruppe – er gehört zur Führungsspitze der Organisation. Laut der «Bild» freunden sich C. und al-Adnani an.

Dann wiederholt sich die Geschichte: Wie 2011, als er eine Verwandte seines damaligen Mentors Dujana in Deutschland heiratete, angelt er sich nun in Syrien eine Frau mit Beziehungen. Nur diesmal geht er den Bund der Ehe mit einer Verwandten des Amniyat-Chefs höchstpersönlich. So hat C. eine familiäre Bande in die oberste Entscheidungsebene des Islamischen Staates geknüpft.

Auslandseinheit Oseo

Jetzt geht es für den Aargauer rasch weiter nach oben. Er wird im Auslandsgeheimdienst eine zentrale Figur. Wichtig zu wissen dabei: Die allermeisten IS-Anschläge im Ausland werden von Sympathisanten verübt, die eine mehr oder weniger enge Anbindung zum Islamischen Staat haben. Einige werden über Messengerdienste instruiert, andere handeln autonom.

Doch der IS trainierte auch Attentäter spezifisch für Auslandeinsätze. Diese Männer und Frauen sollten dank ihrer militärischen Ausbildung für die grossen Schläge der Dschihadistenmiliz eingesetzt werden – beispielsweise für jene Terrornacht in Paris. Da sich diese Trainings kaum an klaren Abteilungen festmachen lassen, geben westliche Nachrichtendienste diesem Geflecht den Namen Oseo – Operationsstruktur externe Operationen.

C. gründet in der Oseo laut «Bild»-Informationen seine eigene Einheit namens «Katiba Furgann». Benannt nach der 25. Sure des Koran, «die Unterscheidung», in der es über die Ungläubigen heisst: «Sie leugnen die Stunde (des jüngsten Gerichts) und denen, welche die Stunde leugnen, haben wir einen Höllenbrand bereitet.» Stationiert ist die Abteilung in der syrischen Stadt Raqqa. Zwischen 50 und 100 Kämpfer werden zu dieser Zeit von C. für Anschläge ausgebildet.

Die Terrornacht in Paris

Der 13. November 2015 ist der grosse Tag für C. – sein teuflischer Plan wird Wirklichkeit: Um 21.20 Uhr sprengt sich ein Selbstmordattentäter vor dem Stade de France in die Luft. Zu dieser Zeit läuft im Stadion ein Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Frankreich.

Wenig später geht die Anschlagsserie so richtig los: Attentäter morden in mehreren Restaurants an der Rue Alibert. Gleichzeitig stürmen drei Terroristen das Bataclan, wo eine amerikanische Band vor Hunderten Fans spielte. Das Konzert endet in einem Blutbad.

Die traurige Bilanz der Pariser Terrornacht: 138 Tote, über 400 Verletzte.

C. – das Phantom

Die Terroranschläge von Paris lösen heftige Reaktionen in Frankreich aus. Tausende Soldaten stehen in den Monaten danach im Einsatz, gleichzeitig verstärkt das Land seine Anti-IS-Kampagne mittels Luftschlägen massiv. Fieberhaft wird auf der ganzen Welt nach den Hintermännern der Pariser Terrornacht gefahndet. Verschiedene Namen tauchen auf. Nur C. bleibt unerkannt.

Der Aargauer wird in der «Bild»-Zeitung als Phantom dargestellt. Es wird beschrieben, wie C. sehr auf seine Sicherheit geachtet hatte. «Während fast alle neu angekommenen Ausländer in sozialen Medien mit Sturmgewehr oder IS-Flagge posierten, sind solche Fotos von C. nicht bekannt», heisst es im Zeitungsbericht. Nach Auskunft eines deutschen IS-Mitglieds habe C. sogar Handys beschlagnahmen lassen, wenn er befürchtete, von anderen fotografiert worden zu sein. Auch hielt er jahrelang keinerlei Kontakt zu seiner Familie.

Wie er die Terroristen trainiert hatte

C. gilt als Waffennarr: «Er hat den ganzen Tag mit Schiessen verbracht, hat stundenlang trainiert, sich Trainingsvideos von westlichen Spezialeinheiten angeschaut», sagt ein mit ihm befreundetes deutsches IS-Mitglied zu «Bild».

Gut zwei Monate nach den Anschlägen von Paris wird dies erstmals ersichtlich. Der IS veröffentlicht ein Propaganda-Video, das von der Terrornacht in Frankreichs Hauptstadt handelt. Immer wieder werden Szenen eingeblendet, die die Attentäter beim Training in Syrien zeigen. Hier kommt der Aargauer ins Spiel:

In einer kurzen Sequenz ist laut «Bild» zu sehen, wie der Paris-Attentäter Brahim Abdelslam mit Pistole und Sturmgewehr auf einem Schiessstand in einem verlassenen syrischen Militärgelände trainiert. Während er die Waffe auf die Ziele richtet und feuert, tritt ein Mann auf ihn zu und drängt ihn seitlich ab. Doch Abdelslam bleibt bei der Sache, hält seine Waffe weiter konzentriert auf die aufgemalten Ziele. Der Ausbilder, der einen Kampfanzug und Sturmhaube trägt und vom IS sogar noch verpixelt wurde, ist der Aargauer Thomas C.

Was sagen Weggefährte über C.?

BLICK hat 2018 mit mehreren Bekannten von Thomas C. gesprochen. In der Region Baden erinnerte man sich damals an einen aufgeweckten Jungen. Eine Person, die der Familie nahestand, sagte damals zu BLICK: «Er war als Teenager kein 0815-Bub, hatte Freude an Hip-Hop und Graffiti.» Aber: «Er durchlebte auch eine schwierige Kindheit. Einmal hat sein Vater ihn einfach in irgendeinem Dorf im Aargau ausgeladen und gesagt, er müsse jetzt selber für sich schauen.»

Als die Ehe seiner Eltern auseinanderging, lebte C. mit seinem ungeliebten Vater in der Schweiz. Der Bekannte dazu: «Das ging erwartungsgemäss nicht gut, er bekam keine Liebe von ihm. Irgendwann zog es ihn wieder zur Mutter.» Sie lebte in Deutschland, heiratete dort einen neuen Mann. C. unterzieht sich einer Wesensveränderung – der Bekannte erinnert sich: «Er lief plötzlich mit einem langen Bart herum, eben wie oft auch Radikale.» Aus dem hochgewachsenen blonden Teenager war offensichtlich ein IS-Sympathisant geworden.

Lebt er noch?

Wahrscheinlich ist der Aargauer mittlerweile nicht mehr am Leben. Thomas C. alias Abu Musab soll beim Zerfall des IS-Kalifats in Syrien ums Leben gekommen sein. Im Herbst 2017 verliert sich seine Spur.

Die Terrornacht von Paris, die er geplant hatte, schmerzt Frankreich und die westliche Welt bis heute. (nim)

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