Giuseppe B.* (51) tötete im Juli 2016 seine Ex-Frau Sabrina B.* (†48). Der Tessiner strangulierte die Mutter seiner Kinder mit seinen Händen bis zur Bewusstlosigkeit. Dann schnitt er ihr die Pulsadern auf. Der Feuerwehrmann versuchte, den Mord wie einen Suizid aussehen zu lassen – mit Erfolg. Die Polizei fand die Leiche der Frau in ihrer Wohnung in Monte Carasso TI und schloss ein Verbrechen aus.
Erst zwei Jahre später kommt die Wahrheit ans Licht. Der Tessiner gesteht die Tat. Beschuldigt jedoch seine neue Ehefrau Anastasia B.* (41), ihn angestiftet zu haben. Die gebürtige Russin streitet jede Mittäterschaft ab, wird allerdings im April 2019 zu lebenslanger Haft verurteilt. Giuseppe B. erhält 16 Jahre Knast.
In allen Anklagepunkten freigesprochen
Im Februar 2020 legt die Russin Berufung ein. Nach knapp 1½ Jahren im Gefängnis wird Anastasia B. am gestrigen Donnerstag in allen Anklagepunkten freigesprochen und direkt im Gerichtsgebäude in Lugano freigelassen, schreibt das russische Portal «Gazeta.ru».
«Anastasia B. reagierte sehr emotional und hat ihre jüngere Tochter, die im Gerichtssaal anwesend war, umarmt und lange geweint», sagt ihr Anwalt Georgi Bagrationi. «Diese Reaktion ist nicht überraschend.» Sie sei illegal im Gefängnis gewesen. Offenbar sollen Beweisdokumente gefälscht und ihre Aussagen nicht korrekt übersetzt worden sein, so ihr Verteidiger.
Giuseppe B. schuldete Ex-Frau Geld
Voraus ging dem Ganzen ein Familiendrama. Über 20 Jahre sind Giuseppe und Sabrina B. verheiratet. Sie haben eine Tochter (24) und einen Sohn (21). Lange Zeit leben sie harmonisch in ihrem Eigenheim in Cadenazzo TI. «Sie waren eine ganz normale Familie», erinnern sich damalige Nachbarn. «Er arbeitete bei der Feuerwehr, war fleissig und zuverlässig, ein guter Familienvater und Ehemann.» Auch Sabrina hing an Giuseppe, widmete sich ganz ihm, den Kindern und dem Haushalt. Irgendwann lernt er bei einem Internet-Chat die Russin kennen. Er verliebt sich in sie und lässt sich von Sabrina B. scheiden.
Dann holt er seine neue Flamme und ihre beiden Töchter in die Schweiz. «Ich wurde gut empfangen, er hat mich gleich seiner Mutter und den beiden anderen Kindern vorgestellt. Den Heiratsantrag hat er in Anwesenheit seiner Familie gemacht», erinnert sich die Russin. 2015 folgt die Hochzeit.
Giuseppe B. muss fortan nicht nur Unterhalt an seine Ex-Frau zahlen, sondern auch die neue Familie finanzieren. Der Mann verschuldet sich offenbar. Die Ehefrau habe eines Tages einen Brief gefunden und so von den Hypothekenschulden sowie nicht bezahlten Alimenten in Höhe von 20'000 Franken erfahren, schreibt «Gazeta.ru». Nach einem Streit habe die Frau allerdings beschlossen, ihrem Gatten zu helfen und ging mehreren Jobs nach.
«Ich konnte nicht zur Polizei»
Doch der Mann dreht irgendwann durch und tötet Sabrina B. Dann kommt er heim und gesteht seiner Frau den Mord. «Es war ein Schock. Einerseits war der blosse Gedanke, dass er einen Mord begangen hatte, unerträglich. Auf der anderen Seite konnte ich nicht zur Polizei gehen. Er hat viele hochrangige Bekannte im Kanton. Wer würde mir – einer Ausländerin – zuhören? Ausserdem begann er zu diesem Zeitpunkt, mich zu schlagen», erinnerte sich die Russin.
2018 habe sie die Polizei alarmiert, als er sie beinahe erwürgte. Die Polizei fand in seinem Haus unregistrierte Waffen und eröffnete eine Untersuchung. Im Zuge der Ermittlungen gestand der Tessiner den Mord an seiner Ex. In U-Haft soll er dann erfahren haben, dass seine Frau angeblich bereits einen neuen Mann an ihrer Seite habe. Gemäss dem Anwalt der Frau, habe der Tessiner aus Eifersucht die Russin beschuldigt.
Für Richterin ist Giuseppe B. alleine für Tat verantwortlich
Die Richterin Giovanna Roggero-Will sagte am Donnerstag vor Gericht: «Die Aufzeichnungen sagen uns, dass er ein Mensch war, der lügen kann», schreibt «Tio.ch». Der Mann alleine sei es gewesen, der sagte, er wolle ihren Tod und er sei es gewesen, der sie schliesslich aus finanziellen Gründen tötete, so die Richterin.
Während Giuseppe B. weiterhin seine Haft im Gefängnis absitzt, kann Anastasia B. endlich aufatmen. Wie ihr Anwalt bekannt gibt, wolle sie nun vor allem viel Zeit mit ihren beiden Töchtern (16 und 18) verbringen. (man)
*Namen geändert