Dutzende Flüchtlinge werden derzeit täglich im Tessin abgefangen. «Die Zahl der Asylsuchenden und illegalen Migranten, die zurzeit aus Italien ins Tessin reisen, ist doppelt so hoch wie noch vor einem Jahr», klagt Regierungspräsident Norman Gobbi (Lega) in der «NZZ am Sonntag».
Er fordert darum, dass sich die Schweiz den Nachbarn Frankreich als Vorbild nimmt: «Wenn der Andrang der Asylsuchenden aus Italien anhält, müssen wir die Grenze vorübergehend schliessen. Nur so können wir Druck auf andere Staaten machen, die ihren Pflichten nicht nachkommen.»
Die Franzosen haben vor wenigen Tagen die Grenzübergänge dichtgemacht, weil der Asyl-Zustrom kein Ende nimmt. Damit verstossen sie gegen das Schengen-Abkommen. Gleichzeitig droht auch Österreich damit, keine Asyl-Gesuche mehr abzuwickeln.
«Der Kanton ist mittlerweile das einzige Tor, das von Italien aus noch offen ist», stellt Gobbi fest. Diese Woche hätte das Grenzwachkorps im Tessin täglich 60 bis 70 Personen wegen rechtswidrigen Aufenthalts angehalten. In der letzten Woche seien es gar 120 bis 130 gewesen. Rund 85 Prozent würden daraufhin ein Asylgesuch stellen.
Hauptsächlich Asylsuchende aus Afrika
Gobbis Parteikollege Lorenzo Quadri schlägt in der «Schweiz am Sonntag» vor, einen Zaun an der Grenze aufzustellen. Das hatte unlängst auch der ungarische Regierungschef Viktor Orban vorgeschlagen. Er will die Grenze zu Serbien schliessen. Quadri ist sich allerdings bewusst, dass dies in der Schweiz «nicht sehr realistisch» ist.
Gobbi rechnet dieses Jahr mit insgesamt bis zu 25'000 Asylbewerbern, die in Chiasso ankommen könnten. Die Lage an der Grenze sei «äusserst angespannt».
Die meisten Flüchtlinge kommen aus Eritrea, Somalia, Gambia, Nigeria, Senegal und dem Kosovo. Weil in Eritrea ein autokratisches Regime und in Somalia Bürgerkrieg herrscht, werden Asylsuchende aus diesen Ländern zumindest vorläufig aufgenommen. Flüchtlinge aus den anderen Ländern werden in der Regel nicht aufgenommen.
Das Staatssekretariat für Migration geht davon aus, dass die Zahl der Asylsuchenden weiter zunehmen wird. Es sei zu befürchten, dass so viele kommen wie seit 1999 nicht mehr.
1900 Illegale zurück nach Italien
Doch viele illegale Migranten bleiben nicht im Tessin. Seit Anfang Jahr wurden rund 1900 illegale Migranten nach Italien zurückgeführt. Allein in den ersten beiden Juniwochen sind es 490 gewesen, wie die Sprecherin des Schweizer Grenzwachtkorps, Stefanie Widmer, zur «NZZ am Sonntag» sagt.
Allerdings kam es in den letzten Tagen zu Problemen bei den Ausschaffungen aus dem Tessin, weil die italienischen Behörden nicht vorbereitet waren. Nachdem Regierungspräsident Gobbi mit den Italienern Gespräche geführt hat, funktionieren die Rückführungen aber wieder besser. (alp)