Die Tessiner Behörden kommen an ihre Grenzen. In den vergangenen Tagen registrierten sie einen «massiven Zustrom» von Migranten und Flüchtlingen, die von Italien in die Schweiz einreisten, teilt die Kantonspolizei heute mit. Das Empfangs- und Verfahrenszentrum in Chiasso hat allein über das Wochenende 350 neue Asylgesuche registriert. Dies hat laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) zu «Engpässen bei der Unterbringung» geführt.
Als Reaktion auf die hohe Zahl Asylsuchender wurde nun ein Krisenstab eingerichtet. Man beabsichtige damit, verschiedenste kantonale und eidgenössische Behörden zusammenzubringen, um eventuelle Massnahmen schnell und effektiv umsetzten zu können, heisst es in der Mitteilung der Polizei. Zudem wurden Grenkorps-Mitarbeiter aus anderen Regionen an die Grenze im Süden verlegt.
Keine Gesundheits-Gefahr im Tessin
Heute Nachmittag hat die erste Sitzung des Krisenteams stattgefunden. Anwesend waren unter anderem Vertreter der Kantonspolizei, der Grenzwacht, der Armee, des Bevölkerungsschutz, der Vereinigung der Ambulanzen und des Staatssekretariats für Migration. Es habe ein Informationsaustausch und eine Koordination der Aktivitäten stattgefunden, neue Massnahmen seien bisher hingegen nicht beschlossen worden.
Thematisiert wurde unter anderem die Gesundheits-Lage im Kanton. Im Tessin bestehe aktuell aber keine gesundheitliche Notlage, betonten die Behörden. In Italien war in den vergangenen Tagen die Angst vor Seuchen aufgekommen, nachdem in Städten wie Mailand oder Rom Hunderte Flüchtlinge gestrandet waren und mangels freien Plätzen in Unterkünften in Bahnhöfen schlafen.
Neue temporäre Unterkünfte eröffnet
Bereits im Mai hatte die Schweiz laut SEM eine überdurschnittlich hohe Zahl an Asylgesuchen verzeichnet. Nun zog der Flüchtlingsstrom weiter an. An den Tessiner Grenzübergängen wurden in den ersten beiden Juni-Wochen 610 Personen registriert, rund zwei Drittel der Flüchtlinge kamen aus Eritrea. Im gleichen Zeitraum haben 1044 Asylsuchende Einlass in eine Bundesunterkunft verlangt. Der Bund führt den Anstieg auf die grosse Zahl an Flüchtlingsbooten zurück, die in den vergangenen Wochen Italien erreichten.
Die Unterkünfte, inbesondere jene in Chiasso, platzen aus allen Nähten. Um die Flüchtlinge alle unterbringen zu können, wurden drei Zivilschutzanlagen im Tessin mit insgesamt 150 Plätzen kurzfristig wieder in Betrieb genommen.
Platz auch in Basel und dem Thurgau geschaffen
Zudem wurden mehrere Dutzend Personen in andere Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes gebracht. Auch in der Deutschschweiz wurden laut SEM in jüngster Zeit weitere 160 Plätze in Zivilschutzanlagen eröffnet. Je 80 Plätze seien in Basel und in Kreuzlingen TG, geschaffen worden.
Der Bund prüfe derzeit, ob weitere temporäre Unterkünfte in anderen Kantonen eröffnet oder erweitert werden können. Wie viel die zusätzlichen Plätze kosten, ist noch unklar. Für die zusätzlichen Unterkünfte braucht es mehr Personal bei den Betreuungs- und Sicherheitsdienstleistern, wie das SEM auf Anfrage schreibt. Eine Kostenschätzung könne derzeit nicht gemacht werden.
Das SEM hatte zu Beginn des Jahres mit 29'000 Asylgesuchen für 2015 gerechnet. Heute schloss es einen weitergehenden Anstieg der Asylgesuche jedoch nicht mehr aus. Der Bund will die Lage in den nächsten Monaten neu beurteilen. (lha/SDA)