«So eine Erfahrung wünsche ich niemandem»
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Gemeinderätin überlebt Corona:«So eine Erfahrung wünsche ich niemandem»

Tessiner Gemeinderätin (62) überlebt Corona
«So eine Erfahrung wünsche ich niemandem»

Ausgelassen feiert Carla Garbani (62) den Karneval in Losone TI. Tage später bekommt sie Fieber, wird positiv auf Corona getestet. Im BLICK erzählt die Lega-Politikerin vom Kampf gegen das Virus.
Publiziert: 23.03.2020 um 19:38 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2020 um 21:11 Uhr
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Carla Garbani (62) im Spital von Locarno mit einem Inhalator im Mund. «Corona ist viel schlimmer als eine Grippe», sagt die Politikerin.
Foto: zVg
Myrte Müller

Die Fotos auf Facebook stammen wie aus einer anderen Welt. Carla Garbani (62) Arm in Arm mit bunten Vögeln. Küsschen hier, Küsschen da. Hoch die Tassen – es ist Karneval! Doch der Plausch war gefährlich, wie die Lega-Politikerin heute weiss. Denn offenbar feierte das Coronavirus an jenem 26. Februar 2020 in Losone TI mit. Es hätte Garbani das Leben kosten können.

Die Tessinerin erinnert sich genau: «Ich half der Wirtin einer Beiz, stand von vormittags 11 Uhr bis zum Morgengrauen des folgenden Tages hinter dem Tresen. Sicher 20 Stunden.» Hunderte von Menschen ziehen durch die Beizen. Zwar habe man schon vom Corona-Ausbruch in Italien gehört, «doch niemand dachte an das Virus». Irgendwann muss sich die als Polizistin verkleidete Gemeinderätin angesteckt haben.

Nach einer Woche Fieber geht es ins Spital

«Kaum zu Hause, bekam ich Fieber und Husten», erzählt Carla Garbani. «Ich dachte, ich hätte eine Grippe.» Die dreifache Mutter schottet sich ab. Zehn Tage quält sich Garbani, dann ruft sie verzweifelt die Ambulanz. Im Spital «La Carità» stellen die Ärzte eine Lungenentzündung fest. Die Tessinerin wurde positiv auf Corona getestet. «Ich bin sehr erschrocken und habe zu weinen begonnen», erinnert sich Garbani. «Dann wurde ich sofort isoliert.»

Carla Garbani erhält Antibiotika. Dann greifen die Ärzte zu Rheuma- und Malariamitteln. An die zehn Pillen und Siruplöffel mit Medikamenten nimmt die Patientin täglich ein. Ihre Zunge wird von einem Pilz befallen, schwillt an und pellt sich. «Es brannte, wenn ich ass», sagt Garbani. Doch gegessen habe sie eh kaum. Die Tessinerin kämpft mit Brechreiz, erhält auch dagegen Tabletten. «Das Schlimmste sind die Einsamkeit und die Panik», sagt Garbani.

«Der Karneval hätte verboten werden müssen»

Niemand darf sie besuchen. «Ich war über WhatsApp in Kontakt mit meinen Kindern.» Sie sei aber derart erschöpft gewesen, dass sie kaum das Handy habe halten können. Die Angst schnürte ihr buchstäblich den Hals zu. «Ich konnte nicht mehr atmen, klingelte nach den Krankenschwestern», erzählt Carla Garbani. Eine Panikattacke. Gott sei Dank, nur eine Panikattacke.

Das Fieber lässt nach. Die Lungenentzündung schwindet. Nach einer Woche darf Garbani das Spital verlassen. Sie bleibt daheim in Quarantäne. «Das war viel schlimmer als eine Grippe», sagt Garbani. «Ich wünsche so eine Erfahrung niemandem.»

Nicht alle überleben das Virus. In nur einer Woche starben im Tessin 42 Menschen am Coronavirus. Die Zahl der Infizierten stieg auf 1165. Viel zu viele, findet auch Carla Garbani. Die Tessiner Regierung hätte viel früher reagieren und vor allem sofort den Karneval verbieten müssen.

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