Der Saal ist gut gefüllt. Gruppenweise sitzen die Zuschauer aneinander geschmiegt. Es sind keine Schaulustigen, die gestern den Mordprozess in Lugano TI verfolgen. Es sind Angehörige und Freunde. Vom Opfer. Und vom Täter.
Vor ihnen sitzt Goran M.* (57). Der Mazedonier lauert am Morgen des 23. Juni 2017 seiner Ehefrau in Ascona TI auf. Hani M.* (†38) ist auf dem Weg zur Arbeit. In Höhe der Migros-Tiefgarage packt Goran M. die Kellnerin am Hals und zerrt sie in die Tiefgarage. Zeugen hören Schüsse. Dann Schreie. Sie alarmieren die Polizei. Die findet den Mann auf der weiblichen Leiche liegen. Goran M. hat eine kleine Wunde im Gesicht, verursacht von einem Streifschuss, den er sich selbst zufügt.
Reue vor Gericht
Der Gärtner aus Locarno TI zeigt vor Gericht Reue. «Ich habe Hani so geliebt, das müssen Sie mir glauben, Herr Richter», beteuert Goran M. und fügt an: «Sie wollte mich nicht mehr, und ich konnte ohne sie nicht leben. Wir haben vor Gott geschworen, dass uns der Tod scheide. Da habe ich beschlossen, sie und mich zu töten.» Jede Strafe sei recht, so der Angeklagte, er habe sie verdient.
Über einen Monitor laufen die Aufnahmen der Video-Überwachung der Tiefgarage. Sie zeigen, wie Goran M. seine Pistole aus dem Hosengurt zieht. Zweimal schiesst der Mann seiner Frau von vorn in die Brust. Ein Schrei zerreisst die Stille im Gerichtssaal. Eine ältere Dame bricht zusammen. Sie wird hinausgeführt. Ihr Schluchzen hört man noch hinter der verschlossenen Tür. Die Bilder laufen im Saal weiter.
Erschreckende Bilder der Überwachungskamera
Hani M. versucht zu fliehen. Goran M. schiesst der jungen Mazedonierin dann viermal in den Rücken. Hani geht zu Boden. Der Mann hält sich die Waffe an den Kopf und drückt ab. Doch der Schuss streift nur seine Haut. Eine Kugel ist noch im Lauf. Die nutzt Goran M. jedoch nicht, um sein Leben zu beenden, sondern feuert aus 20 Zentimetern Abstand nochmals auf die Frau am Boden. Eine Hinrichtung.
Keine Verzweiflungstat. Kein versuchter Suizid. Für den Staatsanwalt war die Bluttat von Ascona Mord. 20 Jahre Gefängnis fordert die Anklage für eine Tat, die sich seit Monaten angekündigte. Vielleicht seit Jahren.
Mann machte Frau das Leben zur Hölle
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet der Vater von vier Kindern die 17 Jahre jüngere Hani. Er holt sie und ihre zwei Töchter aus Mazedonien in die Schweiz. Sie soll putzen, waschen, kochen. Goran M. schliesst sie in der Wohnung ein. Er ist krankhaft eifersüchtig, vermutet überall Liebhaber und bedroht sie – hält ihr sogar eine Pistole an die Schläfe. Nach einer Messerattacke beschliesst Hani M., ihren Mann zu verlassen. Ihr Todesurteil. Heute geht der Prozess weiter.
* Namen der Redaktion bekannt