Sie reisen als Flüchtlinge in die Schweiz. Doch Osama M. (29), Wesam A. (31), Mohammed A. (34) und Abdulrahman A. (35) suchen keinen Schutz bei uns. Sie wollen Krieg führen, den heiligen Dschihad. Sie hassen die Ungläubigen. Sie hassen die Schweizer. Sie nennen sie «Hundesöhne und Esel», die «nicht zu missionieren, sondern zu Enthaupten seien». Jetzt stehen die vier Iraker vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI. Ihnen wird nicht nur der blanke Hass vorgeworfen.
Vor Gericht präsentieren sich die vier jedoch wie Unschuldslämmer. Mehr noch: Sie seien die Opfer, behaupten sie im Gerichtssaal wehleidig.
Rollstuhlfahrer Osama M. war 2012 in die Schweiz gekommen, erzählte er heute. Seither war er meist in medizinischer Betreuung. Er hatte insgesamt drei Operationen im Zusammenhang mit seinen Rückenproblemen, konnte deswegen nicht arbeiten, lebte schliesslich in Beringen SH. Osama lebt von Sozialhilfe und bezeichnet sich nicht als streng religiös – obwohl er fünf Mal am Tag bete. Sein Anwalt findet, er werde im Tessin schlecht behandelt. Die Chat-Protokolle aus dem Internet, bezeichnet er als Lüge.
Mohammed A. hingegen verweigerte sich fast vollständig den Fragen des Gerichts: Er habe nicht neues zu sagen, habe doch bei der Einvernahme schon alles gesagt. Auch er findet, er werde in Haft schlecht behandelt. «Schlimmer als im Irak» sei es hier. Und überhaupt: Die Gefängnisleitung habe ihm alles, was Spass macht, verboten. «Alle Anschuldigungen gegen mich sind völlig falsch», sagt Mohammed, nur den illegalen Aufenthalt in der Schweiz gibt er zu.
Abdulrahman A. beschwert sich, dass er seinen Beruf als Lehrer und Imam hier in der Schweiz nicht ausüben dürfe. Er, der seit 2007 in der Schweiz lebt, sei arbeitslos und müsse von 10 Franken im Tag leben. Ausserdem dürfe er nicht mit seiner Ehefrau zusammenleben, die in einem Flüchtlingsheim in Chur lebt. Geheiratet hat er sie übrigens in Abwesenheit. Seinem Bruder hatte er dafür eine Vollmacht in die Heimat geschickt.
Wesam A. lebt seit 2004 in der Schweiz. Er hat eine 8-jährige und eine 22-monatige Tochter mit zwei verschiedenen Frauen. Mit der Mutter des jüngeren Kinds, die er in Syrien kennenlernte, lebt er im Aargau zusammen. Er hatte bei einer Detailhändlerkette gearbeitet und sei nicht sehr religiös – auch wenn er ab und zu bete. Wesam raucht und trinkt auch Alkohol.
Hinsichtlich der Vorwürfe sind sich die Angeklagten einig. «Die Anschuldigungen gegen uns sind falsch», sagt Mohammed A. Er gibt zu, sich rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten zu haben. Ansonsten verweigert er die Aussage.
Osama M. behauptet unterdessen: «Ich habe mit dem IS nichts zu tun.» Die Chats und abgehörten Gespräche seien auf irakischem Dialekt geführt und fehlerhaft übersetzt, so der Rollstuhl-Fahrer.
Das steht in der Anklage
Aller Unschuldsbeteuerungen zum Trotz: Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass Osama M. Chef der ersten Schweizer IS-Zelle in Schaffhausen SH ist. Er hat ein Attentat in der Schweiz geplant, auch eines in den USA. Der durch eine Schussverletzung Querschnittsgelähmte und die anderen Angeklagten schleusten Dschihadisten ins Land. Oder sie versuchten es. Sie glorifizieren Gräueltaten. So steht es in der Anklage.
Besonders blutrünstig tut sich Wesam A. hervor. Er zeigt begeistert im Netz verstümmelte Schwerverletzte, Leichenberge auf Pick-Ups, abgeschlagene Köpfe, die auf die Kühlerhaube eines Geländewagens gebunden wurden. Abdulrahman A. fällt unterdessen durch Hetz-Reden in den Moscheen von Zürich ZH und Luzern LU auf. Osama M.und Wesam A. werden am 21. März 2014 verhaftet, Mohammed A. am 8.April 2014. Die drei sitzen in U-Haft. Abdulrahman A. ist auf freiem Fuss.
In belauschten Telefonaten, auf Skype-Kontakten oder auf arabischen Facebook-Accounts verraten sie immer wieder in einer Code-Sprache ihre IS-Gesinnung. Sie sprechen dort von ihren «Brüdern» in Syrien. Osama M. nennt sich den «Löwen von Tawhid», dem die Tränen über die Wangen liefen, weil er wegen seiner Behinderung nicht «arbeiten» also morden kann. Die Iraker sprechen von «Brot backen» und meinen Sprengstoff herstellen. Bomben nennen sie «Wassermelonen». Die «Firma» ist der sogenannte Islamische Staat und «Bräutigame» sind die Selbstmord-Attentäter.
Besonders undankbar kommt Osama M. daher. Der Iraker erschlich sich im Januar 2012 das Asyl in der Schweiz. Er behauptete in der regulären irakischen Armee gedient zu haben. Eine Lüge. In Wirklichkeit hatte er sich bereits 2004 der Al-Qaida angeschlossen. Er reiste mit einer schweren Schussverletzung an, liess sich im Kantonsspital von Schaffhausen SH operieren, im Paraplegikerzentrum in Nottwil LU behandeln - und erhält eine IV-Rente.
Zwei Jahre dauerten die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Zum Teil mit Hilfe ausländischer Nachrichtendienste. Vor allem sei die Zusammenarbeit mit den US-Justizbehörden besonders eng gewesen. Darauf entstand eine 69-seitige Anklageschrift. Kosten des Verfahrens: Fast eine halbe Million Franken. Eine Woche wird das Gericht tagen. Urteilsverkündung erfolgt voraussichtlich am 18. März 2016.