Es hätte eine Feuersbrunst werden sollen. Über 1500 Besucher drängen sich am 4. August 2007 zum Punkrock-Konzert ins Berner Kulturzentrum Reitschule. Kurz vor Mitternacht deponiert Kim S. (26) einen schwarzen Rucksack unter das Mischpult der Musikanlage. Minuten später zündet er aus sicherer Entfernung die selbstgebastelte Bombe.
Was der Neo-Nazi aus dem Berner Seeland nicht weiss: Der Gestank nach Benzin verrät den Rucksack. Der Sicherheitsdienst trägt die Bombe ins Freie, noch bevor die hochgeht. Was Zeugen dann sehen, schockt. Der Detonation folgt ein fünf Meter hoher Feuerball! Nicht auszudenken das Inferno in der Halle, wenn der teuflische Plan des Neo-Nazis gelungen wäre.
Heute steht Kim S. vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona - über neun Jahre nach der Tat. Grund: Der Seeländer wurde erst 2010 gefasst. Er verkehrte damals in Neonazi-Kreisen. Als er einen Waffenerwerbsschein beantragt, durchsuchen Beamte seine Wohnung und finden ein Waffenarsenal sowie Bastel-Sets zum Bau eines Sprengkörpers.
Jetzt hat der frühere Skinhead lange Haare
Um 11 Uhr beginnt der Prozess: Der Angeklagte sieht zumindest frisurentechnisch nicht mehr wie ein Neo-Nazi aus. Er trägt jetzt lange, eher ungepflegte Haare. Auf seine T-Shirt ist heute ein Pandabärchen statt eines Totenkopfes. «Meine politische Gesinnung hat sich gewandelt, sagt Kim S. vor Gericht. Er sei unpolitisch geworden. Der Militärdienst bis im Jahr 2009 habe ihm geholfen, sich von der rechten Szene zu distanzieren.
Der Anwalt des Privatklägers will ihm das aber nicht so recht glauben. Er weist auf SMS hin, die der Angeklagte noch nach 2009 an einen polnischen Nationalisten geschrieben habe: «Blut und Ehre!», sei die Grussformel gewesen. «Heil Hugo!», habe S. in einer anderen Kurznachricht einen Kollegen angesprochen.
Im Rucksack waren benzingefüllte PET-Flaschen
Dass der selbstständige Mikromechaniker noch Ende 2009 Anleitungen für Rohrbomben besass, erklärt er mit seiner Vergesslichkeit: «Ich habs halt einfach nicht sofort entsorgt.»
Gestritten wurde heute auch über den Straftatbestand: Während der Privatkläger von versuchter Körperverletzung oder Tötung ausgeht, spricht der Staatsanwalt nur von Sachbeschädigung. Der Angeklagte habe zumindest keine Opfer gezielt vor Augen gehabt, begründet er dies.
Im Rucksack hatte sich eine selbstgebastelte Spreng- und Brandvorrichtung befunden, die unter anderem aus drei mit Benzin gefüllten 1,5-Liter-PET-Flaschen bestand.
«Es hätte Tote gegeben», sagte heute auch der Rechtsanwalt des Security-Mannes, der als Privatkläger am Prozess teilnimmt.
Der Seeländer Neonazi muss sich wegen Gefährdung durch Sprengstoffe in verbrecherischer Absicht, versuchte Sachbeschädigung und versuchte Brandstiftung verantworten. Das Urteil folgt am 18. Februar.
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