Die Schilderungen in der Anklageschrift brechen das Herz eines jeden Tierfreundes: Werner Nussbaumer (70) soll, so die Staatsanwaltschaft, die Tiere seines kleinen Hofes in Gravesano TI misshandelt haben. In schlimmen hygienischen Verhältnissen sollen sie gehaust haben, zusammengepfercht, ohne sauberes Wasser und angemessenes Futter. Verletzte Tiere seien nicht tierärztlich versorgt worden, was sie unnötig quälte und sterben liess.
Es folgt die Aufzählung des Grauens, das vom Februar 2011 bis Dezember 2013 anhielt. Da vegetieren Lämmchen und kleine tibetanische Ziegen mit gebrochenen Beinen dahin. Ein Schaf stirbt beim Gebären, andere an Rachitis. Ein Minipferd erleidet schwere Koliken, weil es verschimmeltes Brot essen musste. Kadaver liegen im brackigen Trinkwasser, im Stroh oder mit lebenden Artgenossen in den viel zu engen Käfigen. Kaninchen, Hühner, Enten, Gänse, Tauben, Truthähne, Schildkröten, Ponys, Esel, Fische. Der Lotterhof von Gravesano liess alle leiden.
«Die Tiere waren glücklich und topfit»
Fünf Jahre nachdem dem grünen Ex-Grossrat die Tiere weggenommen wurden (BLICK berichtete), beginnt gestern in Bellinzona TI der Prozess wegen Tierquälerei. Der Richter zieht Fotos des Horrors aus den Akten. Bilder, die einst Nachbarn des Tessiner Arztes gemacht hatten und 2013 der Gemeinde übergaben. Der Kantonstierarzt erstattete damals Anzeige.
Werner Nussbaumer zeigt sich unbeeindruckt. «Ich habe meine Tiere gern, habe täglich nach ihnen geschaut. Die Tiere waren glücklich und topfit», sagt der Politiker. Ab und zu habe halt der Fuchs zugeschlagen.
«Politischer Komplott gegen mich»
Nussbaumer ist im Tessin bekannt als Cannabis-Arzt. Er hatte vor Jahren eine Hanf-Plantage angelegt und seine Patienten mit Cannabis-Tropfen behandelt. Die Plantage hatten die Behörden daraufhin geräumt. Nun wetterte Nussbaumer vor Gericht: «Das alles ist ein politischer Komplott gegen mich, weil man meine Cannabis-Behandlungen nicht juristisch bekämpfen konnte, mussten meine Tiere herhalten. Die können ja nicht aussagen.»
Nicht nur wegen Tierquälerei sitzt Werner Nussbaumer auf der Anklagebank. Er soll auch ohne die Erlaubnis des Kantons Junkies Drogen verschrieben haben. Das alles war dem Einzelrichter Siro Quadri zu viel. Es brauche weitere Ermittlungen, sowohl in Sachen Tierquälerei als auch zum Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz, so Quadri. Die Verhandlung wird bis auf weiteres vertagt.