An der Eingangstür hängen zwei Hundefotos. Davor stehen Einkaufswagen und Winterstiefel. Ein Herz mit der Aufschrift «Benvenuti» («Willkommen» auf deutsch) baumelt an der Heizung. Alltagsdinge in einem Treppenhaus – wäre da nicht das rote Polizeisiegel.
Bis zum Abend des 31. Dezembers lebt hinter dieser Tür in der Via Pioda von Locarno TI Ulrike B.* (†52). Die Wilerin hat bereits vor Jahren im Tessin eine neue Heimat gefunden. Täglich führt sie ihren Mischling Jasper spazieren. Arbeit hat die gelernte Marketingplanerin keine.
«Sie war immer sehr freundlich, sehr ruhig. Selbst ihren Hund hörte man nie», erinnert sich ein Nachbar. Auch an Silvester dringt kein Laut aus ihrer Wohnung. Und doch geschieht Schreckliches im zweiten Stock des rosafarbenen Hochhauses im Stadtteil Solduno.
Rettungsteam findet leblosen Körper vor
Gegen 22 Uhr geht bei der Tessiner Ambulanz ein Alarm ein. Einer Dame sei unwohl, so der männliche Anrufer. Minuten später schreitet das Rettungsteam durch die Tür mit den Hundebildern. Es findet eine Leiche vor. Schon Stunden zuvor muss Ulrike B. verstorben sein, stellt der Notarzt fest – und möglicherweise keines natürlichen Todes. Näheres werde die Autopsie ergeben, gibt die Kantonspolizei später in einer Pressemitteilung bekannt. Ein Gewaltverbrechen werde nicht ausgeschlossen.
Noch in der gleichen Silvesternacht verhaftet die Polizei Roberto B.* (62). Der Tessiner, der früher in Luzern lebte, ist seit über acht Jahren der Partner der Toten. Und er war an jenem Silvesterabend offenbar bei ihr. Hatte er den Notarzt gerufen?
Alkohol-Exzesse und Tablettenkonsum
Bevor Ulrike B. vor sechs Jahren alleine in die Via Pioda zog, wohnte das Paar nur einige Strassen weiter zusammen. «Da flogen auch schon mal die Fäuste», erinnert sich eine damalige Nachbarin. Es sei eine schwierige Beziehung gewesen, belastet von Alkohol-Exzessen und Tablettenkonsum.
Auf seiner Facebook-Seite beschreibt Roberto B. seine Liebesbeziehung als kompliziert. Über sich schreibt er: Bin ein Menschen liebender, ein bisschen verrückter Optimist, «und ziemlich unperfekt». Fünf Tage nach seiner Verhaftung erhärtet sich der Verdacht der Ermittler. Die Tessiner Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen Tötung und unterlassener Hilfeleistung eingeleitet. Roberto B. bleibt bis auf Weiteres in U-Haft.
* Namen geändert