Auf der Piazza. In der Eckbeiz. Beim Metzger. Am Gartenzaun: Es wird von nichts anderem gesprochen ... Seit Didier Burkhalter (57) am Mittwoch als Vorsteher des Departements für auswärtige Angelegenheiten zurücktrat, wird ein Bürger der Tessiner Gemeinde Collina d’Oro (Goldener Hügel) als dessen Nachfolger gehandelt: Ignazio Cassis (56), FDP-Fraktionschef im Bundesparlament.
Besonders im Ortsteil Montagnola ist man ganz aus dem Häuschen. Denn der Tessiner Cassis lebt hier: «Ignazio wohnt seit 15 Jahren gegenüber», sagt Guido Probst (77), «ein wirklich netter Nachbar. Ein echter Freund.»
Probst ist Arzt wie Ignazio Cassis: «Wir fachsimpeln oder sprechen über Politik. Er wäre der richtige Mann für Bern», sagt er. «Ich halte immer wieder die Daumen für ihn. Erst für seine Wahl zum Nationalrat, dann für die Ernennung zum Fraktionsvorsitzenden. Jetzt hoffe ich, dass er Bundesrat wird.»
Auch die freisinnige Gemeindepräsidentin von Collina d’Oro träumt von neuer Polit-Prominenz aus Montagnola. «Ignazio ist sehr beliebt im Ort. Er hat ein Ohr für jeden, macht bei der Festa campestre mit», sagt Sabrina Romelli (53) und zählt auf: «Ignazio ist kompetent, volksnah, bescheiden. Er im Bundesrat, das wäre ein Gewinn nicht nur für unseren Ort und Kanton, sondern für die ganze Schweiz.» Mit Hermann Hesse habe Montagnola bereits einen weltberühmten Schriftsteller, ein Bundesrat vom «Goldenen Hügel» wäre ein Traum.
Man hofft auf mehr Besucher
Auf neuen Glanz hoffen auch Andrea Dosella (47) vom Ristorante Collina d’Oro und Gabriella Keller (75) vom Hotel Bellevue: «Ich treffe den Dottore oft beim Joggen. Er grüsst immer freundlich. Wenn Cassis Bundesrat würde, dann gäbe es vielleicht mehr Unterstützung für unseren Flugplatz in Agno», hofft Keller. «Hermann Hesse allein lockt keine Gäste mehr nach Montagnola», meint «Collina»-Wirt Dosella, «mit einem Bundesrat in Montagnola kämen mehr Luganesen zu uns ins Lokal.»
In der Bar Donada herrscht gute Laune. Bei Vino und Prosecco wünscht man Cassis viel Glück für die Karriere in Bern. «Einen Bundesrat in unserem Ort? Das wäre eine grosse Ehre», findet Stammgast Armando Bernasconi (69). «Wir alle wären superfroh.»
Bislang ist eine Kandidatur des Tessiner Freisinnigen jedoch nicht mehr als ein Gerücht. Cassis selber ist nicht zu sprechen. Seine weisse Villa in der Via dei Lucchini ist verwaist, die roten Jalousien sind heruntergezogen.
Cassis sei in Bern, so ein Nachbar. Ein anderer weiss: auf Auslandsreise. Vielleicht ist er auch einfach auf Tauchstation.
Denn nicht nur Ignazio Cassis ist für den Bundesrat im Gespräch. Es könnte auch eine Frau aus dem Tessin kandidieren.
Das wünschen sich nämlich die meisten Schweizer, vor allem die Frauen, wie eine Umfrage des Instituts für Meinungsforschung Opionplus ergab. Von 1100 Befragten insgesamt bevorzugen 63 Prozent eine Frau für Burkhalters Nachfolge – von den Frauen gar 72 Prozent!
«Dann knallen hier die Korken»
In der Tessiner Polit-Szene kursieren noch andere FDP-Namen. Zum Beispiel der von Laura Sadis (56). Die ehemalige Finanzdirektorin des Tessiner Staatsrats zog sich 2015 aus der kantonalen Politik zurück. Zu früh, finden viele. Sie fühle sich geehrt, dass man ihren Namen nenne, so die luganesische Politikerin zu «Ticinonews», mehr wolle sie nicht sagen.
Auch ihre Parteifreundin Marina Masoni (58), Sadis Vorgängerin im Tessiner Finanzdepartement, könnte noch einmal durchstarten. Ausserdem wäre da noch Christian Vitta (44), FDP-Vize aus Locarno TI – aber der ist eben auch ein Mann ...
«Keiner hat eine Chance gegen Ignazio Cassis», findet Bargänger Armando Bernasconi. Der ehemalige Bankangestellte und heutige Pensionär lässt in der Beiz schon mal den Champagner kaltstellen:«Wenn unser Ignazio das Rennen macht, dann knallen hier die Korken!»