IZRS-Verteidiger zerpflücken Anklageschrift
«Indizienkette ist löchrig wie ein Emmentaler Käse»

Die Anwälte fordern Freispruch für die beschuldigten Vorstandsmitglieder des Islamischen Zentralrats Schweiz, Naim Cherni (26) und Qaasim Illi (35) sowie für den Präsidenten Nicolas Blancho (34).
Publiziert: 17.05.2018 um 15:48 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:45 Uhr
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Dschihadisten-Führer Abdallah al-Muhaysini im Interview mit IZRS-Kulturproduzent Naim Cherni (26).
Foto: Youtube
Myrte Müller

Auch am zweiten Prozesstag vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI geht es um Al-Muhaysini, dem dischadistischen Interview-Partner von Naim Cherni und die Al-Kaida. Doch heute scheint die Bundesanwaltschaft auf der Anklagebank zu sitzen. Die Verteidiger von Naim Cherni, Qaasim Illi und Nicolas Blancho zerpflücken in ihren Plädoyers förmlich die Anklageschrift von Bundesstaatsanwältin Juliette Noto. 

Besonders scharf schiesst Illis Verteidiger Lorenz Hirni. Die Anklage sei schwammig und aufgebläht, die Indizienkette löchrig wie ein Emmentaler Käse. Die Vorwürfe seien absurd. Es fehle der Anklage jede wissenschaftliche Präzision. Was er damit meint, erklärt der Berner Anwalt in seiner über zweistündigen Rede. Al-Muhaysini sei kein Vertreter der Al-Kaida. Und er würde auf keiner Schweizer Sanktionsliste geführt.

«Dschihad ist nicht gleich Terror»

Der Verteidiger fährt fort: Die Dachorganisation Jaysh al-Fath (JaF), sei eine militärische Allianz der islamistischen Rebellen, die ein primäres Ziel habe: Den Sturz des Assad-Regimes. Eine Verbindung von Al-Muhaysini zur Al-Kaida sei nicht bewiesen. «Der Dschihad ist nicht gleich Terror», belehrt Illis Verteidiger die Bundesstaatsanwältin, «selbst Assad gebrauche den Begriff des Dschihads.» Man könne nicht die gesamte islamistische Opposition des Regimes zur terroristischen Gruppierung zählen. 

Ohne die Verbindung zur Al-Kaida und dem IS seien die Anklagen wegen Verstosses gegen Art. 2 des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen Al-Kaida und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen nicht haltbar, meint Lorenz Hirni. Sein Mandant habe somit weder Propagandaaktionen für die Al-Kaida organisiert noch Propaganda-Filme beworben. 

«Man will das Andersdenken verbieten und bestrafen»

Ähnlich sieht es Michael Burkard. Sein Mandant, Naim Cherni, sei journalistisch in Syrien tätig gewesen. Er habe in seinen Beiträgen nicht mit islamistischen Gruppierungen fraternisiert, sondern Kriegssituationen dokumentiert. Das Interview mit Al-Muhaysini habe zudem einen Neuigkeitswert. Darin würde der Imam die Einheit der islamistischen Oppositionsgruppe anstreben, um im Kampf gegen Assad und dem IS siegreich zu sein. Auch wenn die Arbeit Chernis unteranderem als «Hofberichterstattung» oder «miserablen Journalismus» bezeichnet wird, könne sein Mandant sich dennoch auf die Medien-, Meinungs- und Informationsfreiheit berufen. Auch Burkard betont, dass Al-Muhaysini kein führender Vertreter der Al-Kaida sei. «Warum steht der Imam weder auf der Sanktionsliste des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) noch auf der des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), wenn er so gefährlich ist, wie die Anklage behauptet?», fragt Chernis Anwalt.

Zum Rundumschlag holt Lukas Bürge aus. Der Anwalt von IZRS-Präsident Nicolas Blancho, wirft der Bundesanwaltschaft das Andersdenken verbieten und bestrafen zu wollen. Die Anklage wolle die Islamophobie mit Gesetzen schüren. Man habe versucht, so Bürge, Nicolas Blancho als Al-Kaida-Propagandist darzustellen, dabei habe dieser nicht mit einem einzigen Wort Al-Kaida erwähnt. Die Bundesanwaltschaft sei die einzige, die Al-Kaida in diesem Verfahren ins Spiel gebracht habe. «Die Bundesanwaltschaft bediente sich hier wie in einem Gemischtwaren-Laden. Jetzt sollen die Beschuldigten zur Kasse gebeten werden.» 

Alle drei Verteidiger fordern Freispruch für ihre Mandanten und eine symbolische Genugtuung von je 200 Franken.

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