Attentäterin Jessica M.* (28) ist mittlerweile in Bern in Haft. Sie wird von Psychiatern beobachtet und von Beamten der Fedpol verhört. Sie trägt kein Kopftuch und keinen Niqab. Dennoch, ihr Mantra: Der Angriff auf die beiden Frauen sei im Namen Allahs geschehen. Auch drei Tage nach dem blutigen Anschlag in der Multimedia-Abteilung der Manor-Filiale in Lugano TI bleibt sie dabei, das Blutbad sei religiös motiviert.
Als Kriegerin des Islamischen Staates (IS) sei Jessica M. am Dienstag gegen 14 Uhr ins Kaufhaus gegangen. Ihre Mission: Ein grosses Messer in der Haushaltsabteilung besorgen, damit wahllos Menschen vernichten. Jessica M. greift an jenem verhängnisvollen Nachmittag eine Frau an, würgt sie. Dann stürzt sie sich auf eine andere mit einem Schlachtruf der IS, schneidet ihr quer über den Hals, als wolle sie die Frau enthaupten. An dem Fleischermesser hängt noch das Preisschild. Hätten Anwesende nicht mutig eingegriffen und die Amokläuferin ausser Gefecht gesetzt, hätte es wohl noch mehr Opfer gegeben (BLICK berichtete).
Weshalb war die Tessinerin auf dem Radar der Behörden?
Folgte Jessica M. tatsächlich dem Befehl eines islamistischen Führers? Oder handelte sie im psychotischem Wahn? Es kommen Zweifel auf. Zwar gibt die Fedpol bekannt, die Tessinerin bereits 2017 in einem Ermittlungsverfahren auf dem Radar gehabt zu haben, doch offenbar steht sie nicht in Verbindung mit islamistischen Zellen. In jenem Jahr lernt sie im Internet einen IS-Krieger kennen, will zu ihm nach Syrien. An der türkischen Grenze wird die Schweizerin festgehalten und in die Heimat zurückgebracht. Sie ist verwirrt, kommt in eine psychiatrische Klinik. Beschränkt sich das erwähnte Ermittlungsverfahren lediglich auf ihre Reise in den Orient?
Jessica M. sei seit 2017 nicht mehr aufgefallen, heisst es von den Bundesbehörden. Sie hat offenbar keinen offensichtlichen Kontakt zu Salafisten. Einziger Bezug zum Islam, so scheint es, war ihr Noch-Ehemann, der Afghane Mohammed M.*. Der ehemalige Asylbewerber ist seit Jahren spurlos verschwunden.
Der lokale Imam kennt Jessica M. nicht
«Wir kennen die Frau nicht», sagt Imam Samir Radouan Jelassi und fügt an: «Sie ist nie zu uns beten gekommen.» Der Leiter der Moschee in Viganello TI verurteilt vehement die Tat. «Das hat nichts mit dem Islam zu tun oder den Werten unserer Religion», so Jelassi gegenüber BLICK. Seine Frage: Ist sie wirklich Muslimin?
Die Opfer des Anschlags mag es nicht kümmern, ob Jessica M. im Wahn oder in Gottesmission handelte. «Wir sind sehr betroffen und bedauern den Vorfall sehr», sagt Manor-Chef Jérôme Gilg. «Die involvierten Personen werden psychologisch betreut – und wir sind in Kontakt mit den Eltern des Opfers.»
*Namen geändert