Vor Jahren sorgte die Melezza schon einmal für Schlagzeilen. Das kristallklare, smaragdgrüne Wasser lockt Blüttler ins Centovalli. Unter ihnen mischten sich im Sommer 2011 auch Exhibitionisten. Zwei Männer und eine Frau aus dem Kanton Aargau hatten wilden Sex vor den Augen der Badegäste (BLICK berichtete). Jetzt brodelt ein neuer Skandal.
Ein anonymer Anruf bringt am 26. März den Stein ins Rollen. Ein Mann aus dem Tal berichtet von LKW, randvoll gefüllt mit Schlamm. Sie rollen von Losone TI rauf ins Centovalli. Am ehemaligen Silo Rampazzi bei Camedo TI schütten die Trucks ihre Ladung über den Hang. «Wir waren sofort alarmiert», sagt Orlando Guidetti (48), der den Hinweis erhielt. Mit Kollegin Federica Ciommiento (22) legt sich der Journalist und Lega-Gemeinderat aus Losone TI auf die Lauer.
Täglich kommen die Lastwagen
«Fast täglich kamen die Camions der Silo & Beton Melezza AG, kippten den grauen Schlick ans Flussufer», sagt Orlando Guidetti, «und zwar tonnenweise.» Material, wie der Tessiner Politiker bald feststellt, das laut kantonaler Abfallverordnung auf eine Deponie gehört und nicht in ein Naturparadies.
Die Journalisten fragen bei Luca Motta an, dem Direktor der Silo & Beton Melezza AG. Die Antwort: «Wir haben das Material aus Sicherheitsgründen und zur Verfestigung des Hanges deponiert und beschlossen, es wieder zu entfernen.» Das freilich ist nicht passiert. Im Gegenteil. Die LKW rollen weiter.
Die Proben bestätigen: Der Schlamm ist verseucht
Über zwei Monate lang beobachtet das Duo das illegale Treiben. Sie setzen dabei auch eine Drohne ein. Die Luftaufnahmen zeigen, wie aus dem Betonschlamm ein Strand entsteht, der mit Baggerschaufeln immer wieder platt gedrückt wird. Das Material wird regelmässig mit der Strömung und durch Regen in die Melezza gespült. Schlammproben belegen: Es ist verseucht!
Giovanni Palmieri (49) ist entsetzt. «Der Schlamm ist so fein, dass er in die Kiemen dringt und die Fische erstickt», so der Profi-Fischer aus Brissago TI. Die Brut würde zerstört und die Fische mieden fortan solche trüben Gewässer. Ein grosser Schaden. Zudem warnt Palmieri: «Ein solcher Schlick ist zwar nicht gesundheitsschädlich für den Menschen, aber er irritiert die Haut und verursacht unangenehmes Brennen.»
Grosse Sorgen macht sich auch Gianmaria Pellanda (35), er ist Gemeinderat der Grossgemeinde Centovalli. «Die Natur ist unser Kapital. Wir müssen sie schützen vor solchen illegalen Machenschaften.»
Staatsanwaltschaft ermittelt
Der Gartenbau-Unternehmer aus Intragna TI fordert von der Gemeinde-Exekutive Massnahmen. Doch die zögert und wiegelt ab. Das Material sei nur vorübergehend an der Melezza deponiert worden. Zudem sei es ja nur leicht verseucht. Das reiche nicht für eine Anzeige. Die übernimmt schliesslich Gianmaria Pellanda als Privatperson. Und sie wird offenbar ernst genommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Kanton Tessin bezieht auf BLICK-Anfrage zwar keine offizielle Stellung zum Umweltskandal, bestätigt aber, dass auch im zuständigen Baudepartement Abklärungen laufen. Unterdessen mahnt das Bundesamt für Umwelt: «Der Kanton ist zuständig für die Umsetzung der Abfallverordnung und müsste in einem solchen Fall eingreifen.»