Heute Morgen, 8 Uhr in Dietikon ZH. Ein Taxi hält beim Bezirksgericht. Carlos, das berüchtigste Sorgenkind der Schweiz, steigt aus und betritt das Gericht über den Hintereingang. Carlos muss sich wegen seiner Zerstörungsaktion im Massnahmenzentrum Uitikon (MZU) und wegen angeblicher Drohungen in der Zürcher Langstrasse verantworten.
Carlos zertrümmerte in Uitikon seine Zelle und setzte sie unter Wasser. Der Richter will wissen, wieso. «Mir ging es nicht gut. Ich war 23 Stunden ohne Fernseher. Ich wusste, dass ich so wegkomme. Das Gefängnis war ein Hotel dagegen. In Uitikon gaben mir alle ein schlechtes Gefühl.» Zum Vorfall im Oktober 2014, als er nach einem Vorfall an der Langstrasse vor der Polizei geflüchtet war, will er nichts sagen. Er soll damals jemanden mit einem Klappmesser bedroht haben.
Aussagen der Zeugen teils widersprüchlich
Für diesen wichtigsten Anklagepunkt der Drohung wird der knapp 20-Jährige freigesprochen. Das Gericht erachtete den Vorfall keinesfalls als bewiesen, es gebe lediglich Indizien. «Die Zeugen machten keine zuverlässigen Angaben», sagt der Richter. Teils seien die Aussagen gar widersprüchlich gewesen. Auch dem mutmasslich bedrohten Mann schenkte das Gericht keinen Glauben.
Weil Carlos wegen dieser nicht anerkannten Drohung bereits sechs Monate im Gefängnis sass, wird er nun für die Zeit hinter Gittern wegen sogenannter «Überhaft» entschädigt. Der Staat zahlt ihm eine Genugtuung in der Höhe von 14'300 Franken. Viel profitieren dürfte Carlos davon aber nicht: Er muss im Gegenzug die Gerichtskosten zahlen, was den zugesprochenen Betrag noch übersteigen dürfte.
Richter: «Ich bin fassungslos»
Schuldig gesprochen wird Carlos einzig für die Zerstörung im MZU. Er wird dafür zu 33 Tagessätzen à 30 Franken verurteilt. Carlos begründete seinen Ausraster auch damit, dass er zu Unrecht eingesperrt worden sei. Das Gericht teilte diese Ansicht: Die «Inhaftierung zum eigenen Schutz» durch die Zürcher Behörden sei tatsächlich unrechtmässig gewesen. «Ich bin fassungslos», sagte der Richter an die Zürcher Staatsanwaltschaft gerichtet. Das Gesetz gelte schliesslich auch für Leute, die keine Sympathieträger sind.
Der Staatsanwalt verlangte für den landesweit bekannten Wiederholungstäter eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten, die aber zugunsten einer Therapie für psychisch schwer gestörte Straftäter hätte aufgeschoben werden sollen. Carlos machte aber wiederholt klar, dass er keine weitere Therapie wolle. Auch hier folgte das Gericht dem Angeklagten: «Bei ihm bringt das nichts», sagte der Richter.
Sobald Carlos die Geldstrafe bezahlt hat, ist er ein freier Mann. Die Staatsanwaltschaft will nun die schriftliche Urteilsverkündigung abwarten und dann entscheiden, ob sie das Urteil ans Obergericht weiterzieht.