«Wir leben zu zehnt in einem Zimmer»
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Ukrainerin in Militärbaracke:«Wir leben zu zehnt in einem Zimmer»

Tausende Gastfamilien sind bereit für Flüchtlinge, aber Bund ist bei Zuteilung überfordert
Tamara L. (34) und ihre Töchter finden in Militärbaracke keine Ruhe

Die Theorie klingt toll: Ukrainische Flüchtlinge kommen in Schweizer Familien. Die Praxis: harzt. Die Strukturen beim Bund sorgen dafür, dass viele Ukrainer wochenlang in Zivilschutzbunkern oder Militärbaracken ausharren müssen.
Publiziert: 01.04.2022 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2022 um 15:39 Uhr
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Tamara mit ihren Töchtern Sofia (r.) und Karina (M.).
Foto: Fabian Vogt
Fabian Vogt

Noch nie haben Flüchtlinge in der Schweiz mehr Solidarität erfahren, als derzeit die ukrainischen. Der Bundesrat hat zum ersten Mal den Sonderstatus S aktiviert, den es seit 1998 gibt und mit dem praktisch das Asylverfahren ausgehebelt wird. Privatpersonen heissen die Ukrainer ebenfalls mit offenen Armen willkommen. 29'817 Gastfamilien haben bisher 73'326 Betten angeboten, wie Zahlen der Schweizer Flüchtlingshilfe zu entnehmen ist.

Bloss: Knapp 98 Prozent der Betten stehen nach wie vor leer. Bisher wurden laut der Organisation 2180 Personen an 887 Gastfamilien vermittelt. An der Nachfrage kann das nicht liegen: Am Donnerstag waren bereits 20'569 Ukrainer als Flüchtlinge registriert.

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«Die Behörden sind einfach überfordert»

Zu denen, die bislang vergeblich eine Wohnung angeboten hat, gehört Esther Huwyler. «Ein Monat stand unsere Wohnung nun leer. Ein Monat schon warten Flüchtlinge auf Unterkunft. Die Behörden sind einfach überfordert», sagt sie zu Blick. Die Luzernerin schaut sich darum via Social Media nach Bedürftigen um. Doch die Behörden raten davon ab, selber tätig zu werden. Man bittet die Gastfamilien, Geflüchtete nicht direkt zu suchen und letztere, Familien nicht selber zu kontaktieren. Aus Sicherheitsgründen, Menschenhandel ist ein Thema.

Die Geflüchteten selber scheinen sich mit ihrer Situation arrangiert zu haben. Dass sie in Zivilschutzbunkern oder Turnhallen auf engem Raum teils wochenlang ausharren müssen, mit Massenduschen und kaum Informationen, haben sie akzeptiert. Sie sind vor allem froh, nicht mehr im Bombenhagel aufwachen zu müssen.

«Niemand war da, um Medikamente zu geben»

Aber es gibt auch einige, die lieber heute als morgen eine andere Unterkunft finden würden. Beispielsweise Tamara L.* (34). Geflüchtet aus Kiew, ist sie am 14. März in der Schweiz angekommen, zusammen mit ihren Töchtern Sophia (14) und Karina (6). Seither lebt die Familie in einer Militärbaracke in Bülach ZH, in einem Zimmer mit sieben fremden Personen, die Betten getrennt durch Kartonwände. «Babys, Männer, Kinder, Frauen auf wenigen Quadratmetern – schlafen geht so kaum», sagt die Frau aus Kiew. Ein weiteres Problem sei, dass es bei medizinischen Problemen nur bis 23 Uhr eine Ansprechperson gebe. «Meine Tochter hatte in einer Nacht starke Bauchschmerzen, aber niemand war mehr da, um Medikamente zu geben.» Für Tamara ist klar: «Ich will so schnell wie möglich von hier weg.»

Solche Fälle sind befremdlich, wenn gleichzeitig Zehntausende Schweizer Familien bereits komfortable Alternativen bereitgestellt haben. Die Flüchtlingshilfe schreibt auf Blick-Anfrage, dass die Zahl der bisher vermittelten Personen den Erwartungen entspreche. «Eine Vermittlung auf Knopfdruck ist nicht möglich», heisst es. Stattdessen würde man in Gesprächen von bis zu 90 Minuten sicherstellen, dass die Flüchtlinge in die Familien kommen, die für ihre Bedürfnisse am besten geeignet seien.

«Dann brechen die Strukturen zusammen»

Der Prozess müsse trotzdem schneller gehen, findet Campax-CEO Andreas Freimüller. Sein Unternehmen hat die Wohnungs-Datenbank mitaufgebaut und arbeitet für die Vermittlung mit Behörden und Flüchtlingshilfe zusammen. Freimüller hat einen Verbesserungsvorschlag: «Registrierungsprozesse oder Vermittlungsgespräche kann man weitgehend virtualisieren.» Die Gespräche könnten etwa via Zoom geführt werden, statt wie bisher Face-to-Face in den Einrichtungen des Bundes. Das sei für das Bundesamt für Migration (SEM) und den Bund allerdings nicht so einfach, da man dort «halt nicht so technisch unterwegs ist und alle Prozesse mehrfach prüfen muss».

Das SEM schiebt den Vorschlag an die Schweizerische Flüchtslingshilfe ab. Diese ist der Meinung, eine Virtualisierung der Vermittlungsgespräche sei keine taugliche Lösung: «Das persönliche Gespräch ist entscheidend. Nur so kann beispielsweise beurteilt werden, ob eine Person vielleicht vulnerabel ist. Darum kann eine optimale Triage in die Familien nur auf diesem Weg erfolgen», sagt ein Sprecher.

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