Die wissenschaftliche Corona-Taskforce des Bundes hat an Bedeutung verloren. Der Bundesrat beruft sich kaum mehr auf die Empfehlungen der Expertengruppe, deren Auftritte selten geworden sind. Auch kommende Woche dürfte sich die Landesregierung wieder über den Rat von Experten hinwegsetzen, die eben noch vor Öffnungsschritten warnten.
Die Taskforce verbreite «Horrormärchen», sei alarmistisch und müsse daher abgeschafft werden, sagt der Basler SVP-Nationalrat Thomas Matter (55) laut der «Sonntagszeitung». Nicht zum ersten Mal will die grösste Partei in der Wirtschaftskommission des Nationalrats die sofortige Auflösung der Taskforce beantragen.
Bundesrat erwägt weitere Lockerungen
Dies, während der Bundesrat am Mittwoch die Regeln für Rückreisende aus Covid-Risikogebieten lockern dürfte. Geimpfte mit Schweizer Wohnsitz sollen nicht mehr in Quarantäne müssen. Offen bleibt, ob die Lockerung auch für einreisende und geimpfte Ausländer aus Risikogebieten erlassen wird.
Fraglich ist, wann Innenräume von Restaurants wieder geöffnet werden, wie dies bürgerliche Parteien sowie die Gastro- und Tourismusbranche für negativ Getestete, Genesene und Geimpfte fordern. Ein solches 3G-Modell, wie es die Bundesverwaltung nennt, soll einem wachsenden 3G-Teil der Bevölkerung den Besuch von Restaurants wieder erlauben.
Wahrscheinlich scheint dagegen, dass die Homeoffice-Pflicht für Betriebe mit einem Testkonzept aufgehoben wird. Auch Universitäten, die ihre Studierenden regelmässig testen, sollen zum Präsenzunterricht zurückkehren können.
Taskforce-Ackermann räumt Irrtümer ein
Dass die Corona-Zahlen entgegen Warnungen von Experten sinken, führt offenbar auch zu einem Umdenken innerhalb der Taskforce. Deren Chef Martin Ackermann (49) sieht Spielraum für weitere Öffnungen.
Im Gespräch mit der «NZZ am Sonntag» zeigt sich Ackermann «positiv überrascht und erfreut über die aktuelle Entwicklung». Drei Punkte seien falsch eingeschätzt worden, räumt er ein. Das Wetter sei milder als erwartet. Dies habe einen Einfluss auf das Verhalten von Menschen und die Infektionsgefahr.
Zudem sei die Übertragungsrate der britischen Virusvariante B.1.1.7 «etwas zu hoch» eingeschätzt worden. Schliesslich habe sich auch die grosse Mehrheit der Bevölkerung als vernünftig erwiesen. Der Mensch sei Unsicherheitsfaktor, so Ackermann. Man habe gewarnt, und das habe nun womöglich mitgeholfen, die Pandemie zu bremsen. Menschen seien sich der Gefahr bewusst gewesen und hätten kluge eigene Entscheidungen getroffen.
«Spielraum für Lockerungen»
Wäre die Bevölkerung nicht geschützt worden, hätte die Pandemie viel mehr Menschen betroffen, gibt sich Ackermann überzeugt.
Noch sei es zu früh, bald auch wieder drinnen in Restaurants essen zu können: «Begegnungen in Innenräumen ohne Masken stellen das grösste Infektionsrisiko dar.» Doch je mehr Menschen geimpft seien, desto weniger Viren zirkulieren und desto geringer werde das Risiko. «Der Spielraum wird zunehmend grösser für Lockerungen», sagt Ackermann.
Dabei mahnt der Biologe und ETH-Dozent weiter zu Vorsicht. Das Erreichte dürfe nicht verspielt werden: «Das Risiko eines erneuten Anstiegs besteht nach wie vor. Wenn wir zu früh zu stark öffnen, gefährden wir unnötigerweise jene, die sich noch nicht impfen lassen können. Das wäre ihnen gegenüber unfair.» (kes)
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