«Bis Weihnachten wird es für uns wohl nicht reichen»
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Wann kommt der Impfstoff?
«Bis Weihnachten wird es für uns wohl nicht reichen»

Noch in diesem Jahr könnten Deutsche und Amerikaner bereits gegen Corona geimpft werden. Der Bundesrat hat offenbar nicht aufs schnellste Pferd gesetzt.
Publiziert: 31.10.2020 um 20:57 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2020 um 11:16 Uhr
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Russland wählt bei der Entwicklung eines Impfstoffs eine Risikostrategie: Noch während die Tests laufen, finden Impfungen mit «Sputnik V» statt.
Foto: imago images/Michael Weber
Tobias Marti

Dieses Rennen ist wohl das bisher wichtigste des Jahrhunderts. Wer es gewinnt, der räumt alles ab: astronomische Geldsummen, den Dank der Menschheit, einen Platz in den Geschichtsbüchern, vielleicht sogar den Nobelpreis.

Die ganze Welt schaut gebannt zu, Milliarden wurden schon darauf gesetzt, die Erwartungen sind fantastisch, der Druck zermürbend. Es geht, so scheint es, um nichts weniger als die Erlösung.

Nur: Wer wird Sieger sein im Rennen um den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus?

Auf die Zielgerade eingeschwenkt sind bereits der US-Biotechkonzern Moderna – und mit ihm im Seitenwagen – der Schweizer Pharmazulieferer Lonza. Das Unternehmen hat 30 000 Freiwillige für eine erste Impfung rekrutiert. Mehr als 25000 von ihnen haben bereits – vier Wochen nach der ersten Spritze – die sogenannte Boost-Injektion erhalten. Die US-Regierung pusht Moderna mit dem Impfprogramm «Operation Warp Speed» (Überlichtgeschwindigkeit).

Der Name ist Programm: Als das Moderna-Labor eine neue Lüftung brauchte, begleitete ein Army-Konvoi den Laster des Lieferanten Tausende von Meilen durch die USA. «Der musste an keiner roten Ampel halten», verriet Moderna-Boss Stéphane Bancel kürzlich dem «Spiegel».

Die Schweiz sicherte sich von den Amerikanern 4,5 Millionen Impfstoffdosen, genug für zwei Millionen Menschen. Ausserdem setzt der Bundesrat auf einen weiteren Pharma-Athleten: Astra Zeneca. Von den Briten orderte Bern 5,3 Millionen Impfdosen. Was auffällt: Auch für Astra Zeneca wird Lonza die Produktion übernehmen, wie diese Woche bekannt wurde. Offenbar ist die Lonza-Connection für die Landesregierung kein Nachteil.

Zürcher Immunologe zweifelt

Steve Pascolo, Immunologe an der Universität Zürich ist allerdings skeptisch: «Ich hätte den Impfstoff von Biontech bestellt.» Biontech, die Deutschen im Rennen – mit 375 Millionen Euro von der Merkel-Regierung gefördert – liegen derzeit in Führung.

Dank einer Kooperation mit dem US-Pharmariesen Pfizer habe Biontech schneller die 30 000 Probanden rekrutieren können als Moderna, erklärt Pascolo. Astra Zeneca seinerseits wurde jüngst ausgebremst, weil bei den Impfstofftests Sicherheitsprobleme aufgetreten sind. Die Briten setzen im Gegensatz zu den Amerikanern und Deutschen auf Adenoviren als Wirkstoff.

Steve Pascolo rechnet bei Biontech noch in diesem Jahr mit einem Impfstoff – falls nun, in der entscheidenden dritten Phase, dessen Wirksamkeit nachgewiesen werden kann: «Deutschland und die USA hätten dann zu Weihnachten eine Impfung gegen die Pandemie. Bis dahin wird es für uns wohl nicht reichen», sagt er.

Im kommenden Jahr kämen aber mehrere Impfstoffe auf den Markt, ist Steve Pascolo überzeugt.

Der Mann kennt das Metier wie sonst kaum jemand. Vor rund zwanzig Jahren hat er die Me­thode mitentwickelt, die nun ­Geschichte schreibt.
Sogenannte mRNA-Impfstoffe, wie sie jetzt im Vordergrund stehen, enthalten nicht, wie üblich, Eiweisse des Krankheits­erregers, sondern lediglich deren Bauplan. Sie können also keine Infektion verursachen (mRNA steht für «messenger RNA», ausgedeutscht: Boten-Ribonukleinsäure.)

Schnell verfügbar

Ein weiterer Vorteil der Methode: Sie ist schneller im Labor, schneller in der Produktion – und in viel grösseren Mengen herstellbar. «Die Technologie ist neu und schnell, aber nicht auf Kosten von Sicherheit und Ethik», sagt Pascolo, der sich sofort impfen lassen will, sobald dies möglich ist.

«Mr. mRNA», wie er auch genannt wird, hat sich damals vor Jahren im Selbstversuch sein Elixier selber in die Wade injiziert.

Steve Pascolo ist überzeugt, dass die Pandemie mit der Verfügbarkeit des ersten mRNA-Impfstoffs beendet sein wird. Das Virus könne dann zwar noch immer vorhanden sein, aber mit viel geringeren Folgen.

Nach der Impfung bilde jeder Mensch eine stärkere oder schwächere Immunität, sagt er: «Es ist möglich, dass einige der Geimpften das Virus noch weitergeben können, es ist aber zu erwarten, dass sie schneller genesen und so weniger Menschen anstecken.»

Bei der Grippeimpfung beträgt die Schutzwirkung 20 bis 80 Prozent. «Aber auch ein nur teilweise wirksamer Impfstoff rettet Leben», sagt Marcel Tanner, Epidemiologe und Immunologe der ­Covid-Taskforce des Bundes.

Jeder Beitrag sei willkommen, der das Gesundheitswesen entlaste. Auf die Corona-Pandemie bezogen bedeutet das für den Experten Tanner: «Wenn jeder zweite Geimpfte geschützt ist, ist das bereits ein Erfolg!»

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