Eigentlich lief alles bestens für Simone Orlandi (34) aus Claro TI. Der Lokalpolitiker wurde im vergangenen Jahr Präsident der SVP-Sektion von Bellinzona TI. Im Frühjahr 2021 folgte die Wahl in den Gemeinderat der Hauptstadt des Südkantons. Zudem hatte der gelernte Kaufmann einen festen Job beim Strassenverkehrsamt. Doch dort lockte das schnelle Geld.
Nummernschilder mit vierstelligen Ziffern sind beliebt bei Sammlern. Sie erzielen bei den kantonalen Versteigerungen leicht vierstellige oder gar fünfstellige Beträge. Dieser Versuchung konnte Simone Orlandi nicht widerstehen.
Über 30'000 Franken steckt der SVPler in die eigene Tasche
Der Gemeinderat unterschlug mindestens ein Dutzend der gefragten Kennzeichen. Über einen befreundeten Versicherungsagenten (48) aus Lugano TI liess er die begehrten Nummernschilder unter der Hand verscherbeln. Für den illegalen Handel verwendete der Beamte offenbar die Accounts von zwei ahnungslosen Kollegen. 60 Prozent der heimlichen Einnahmen seien an Orlandi gegangen, 40 Prozent an den Komplizen, schreibt La Regione.
Über 50'000 Franken seien auf diese Weise erwirtschaftet worden, so die Ermittler. Davon wanderten 30'000 in die Taschen des SVP-Politikers. Kunden waren Sammler exotischer Kennzeichen. Unter ihnen auch ein Gemeindepolizist. Der Kennzeichen-Handel im grossen Stil flog am 17. August 2021 auf, weil Kollegen der Kennzeichenabteilung bemerkten, dass gewisse Nummernschilder einfach verschwanden und nicht mehr an neue Halter vergeben wurden. Simone Orlandi und sein Kumpel wurden festgenommen und tags darauf wieder freigelassen. Die Ermittlungen jedoch liefen weiter.
Bestechung, Veruntreuung, Geldwäsche
Der SVP-Präsident von Bellinzona wählt die Flucht nach vorne. Er zeigt sich öffentlich reumütig, tritt sofort von sämtlichen politischen Ämtern zurück. «Es tut mir leid, was passiert ist. Es war eine schwierige Phase in meinem Leben», schrieb der Politiker in einer Pressemitteilung. «Ich übernehme die volle Verantwortung und werde mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten».
Nach Prüfung der Akten wurde Orlandi Ende August fristlos entlassen. Aus dem ursprünglichen Disziplinarverfahren wird eine Strafverfolgung. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen passiver Bestechung, Amtsmissbrauch, Geldwäsche und Veruntreuung. Der Komplize hingegen wird sich wegen aktiver Bestechung, Geldwäsche und Hehlerei verantworten müssen.