SVP blitzt ab
Nationalrat gegen systematische Grenzkontrollen

Eine systematische Kontrolle der Landesgrenzen ist keine Option in der Flüchtlingskrise. Zu diesem Schluss ist nach dem Ständerat auch der Nationalrat gekommen. Er hat heute eine entsprechende Motion der SVP abgelehnt.
Publiziert: 10.12.2015 um 13:12 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:14 Uhr
Flüchtlinge aus Eritrea und Tibet kommen im Tessin an.
Foto: Keystone

Die Sonderdebatte zur Flüchtlingskrise hatte die SVP gefordert. Die Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen funktioniere nicht mehr, stellten die SVP-Redner fest. Die Landesgrenzen müssten deshalb systematisch kontrolliert werden, wenn nötig mit Hilfe der Armee.

Unzufrieden: SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz.
Foto: Keystone

Die Schweiz kapituliere vor der illegalen Zuwanderung, sagte Adrian Amstutz (SVP/BE). Einmal mehr kritisierte er Justizministerin Simonetta Sommaruga. Die Probleme würden in der Schweiz schöngeredet. «Wenn etwas funktioniert in Ihrem Departement, dann ist es die Propaganda-Abteilung», sagte der SVP-Fraktionschef.

Explizites Lob erhielt Sommaruga dagegen von Martin Bäumle (GLP/ZH). Er dankte der Justizministerin und ihrem Team für die gute Arbeit. Der Bundesrat sei auf dem richtigen Weg, er habe die nötigen Vorkehrungen getroffen. Andere lobten die Zusammenarbeit zwischen den Behörden.

«Lückenlose Kontrolle unmöglich»

Mit Ausnahme der SVP halten alle Parteien die Forderung nach systematischen Grenzkontrollen für unrealistisch. Solche habe es noch nie gegeben, lautete der Tenor im Rat. Vor Schengen seien an der Grenze maximal fünf Prozent kontrolliert worden. Eine lückenlose Kontrolle sei bei 750'000 Grenzübertritten pro Tag auch gar nicht möglich.

Balthasar Glättli (Grüne/ZH) stellte fest, die Welt sei nicht so einfach, wie man sie gerne hätte. «Wir müssen uns manchmal auch damit abfinden, dass es auf eine komplexe Problemlage nicht eine einfache Antwort gibt, die alles löst.» Marco Romano (CVP/TI) warf der SVP «demagogisches Gerede» vor.

Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte fest, mit solchen Forderungen werde der Bevölkerung etwas vorgemacht. Stattdessen gelte es, das zu tun, man wirklich tun könne. Und das mache die Schweiz. So habe sie die Grenzkontrollen längst verstärkt. Eine Unterstützung des Grenzwachtkorps durch die Armee sei im Moment nicht nötig. «Wenn es nötig ist, machen wir das», sagte die Justizministerin.

Die Probleme an der Schengen-Aussengrenzen bezeichnete sie als Tatsache. In Griechenland seien in diesem Jahr über 700'000 Menschen angelandet. «Ich weiss nicht, ob von Ihnen jemand ein Rezept hat, wie man auf diesen griechischen Inseln diese 700'000 Personen erfassen kann», sagte Sommaruga. «Ich glaube, die einzige Antwort ist die Zusammenarbeit mit der Türkei.»

Hilfe für Italien und Griechenland

Auch der Nationalrat möchte statt auf die Schweizer Grenzen auf die Schengen-Aussengrenzen fokussieren. Er lehnte die Motion der SVP zu den Grenzkontrollen mit 111 zu 73 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab und nahm stattdessen zwei Punkte aus einer Motion der Grünen an.

Demnach soll die Schweiz Italien und Griechenland bei der Bewältigung der Herausforderungen direkt unterstützen. Auch soll sie die Hilfe vor Ort für die Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs verstärken.

Ja sagte der Rat ferner zu einem Postulat der SP: Der Bundesrat soll in einem Bericht die wirtschaftlichen Auswirkungen der Assoziierung an Schengen aufzeigen, namentlich mit Blick auf den Tourismus und die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen.

Keine Änderung für Asylsuchende aus Eritrea

Deutlich abgelehnt hat der Nationalrat die Forderung der FDP-Fraktion, Asylsuchenden aus Eritrea grundsätzlich nur noch vorläufigen Schutz zu gewähren, als «Schutzbedürftige» mit Status S.

Der Bundesrat hatte in seiner Antwort auf den Vorstoss darauf hingewiesen, dass Personen mit dem Status S Anspruch auf Zusammenführung ihrer Familienangehörigen haben. Sie seien somit besser gestellt als vorläufig Aufgenommene, die ihre Angehörigen frühestens nach drei Jahren nachziehen könnten.

Zur vorläufigen Aufnahme, dem Status S und möglichen Änderungen hat der Bundesrat einen Bericht angekündigt. Dieser wird aber nicht mehr im laufenden Jahr vorliegen, wie Sommaruga bekannt gab. Was Asylsuchende aus Eritrea betrifft, betonte sie erneut, dass das Asylgesetz die Kriterien festlege. Wer Asyl erhalte, sei eine rechtliche und keine politische Frage.

Nein sagte der Nationalrat ferner zur Forderung der Grünen, das Botschaftsasyl wieder einzuführen. Die Befürworter argumentierten vergeblich, um das Schlepperwesen zu unterbinden, müssten Zugangswege nach Europa geschaffen werden.

«Grösster Teil der Flüchtlingskrise nicht in Europa»

Die Fraktionen der BDP und der Grünliberalen wiederum zogen ihre Vorstösse zurück, weil diese erfüllt sind. So plant der Bundesrat bereits, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Sommaruga erinnerte in der Sonderdebatte daran, dass der grösste Teil der Flüchtlingskrise nicht in Europa stattfinde, sondern in den ärmsten Ländern. So habe etwa Äthiopien 750'000 Flüchtlinge aus umliegenden Staaten aufgenommen. (SDA)

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