Brot, Obstschnitze, vielleicht ein paar Nüsschen. Ab in die Box – und fertig ist das Znüni ... denken viele Eltern. Wenn es bloss so einfach wäre!
Ein Flyer, den die Stadt Zürich vergangene Woche an die Eltern von Kindergärtlern verschickte, teilt die Zutaten fürs Znüni in Gut und Böse ein (siehe Box). Gar nicht gehen demnach Lebensmittel wie Salznüssli, Getreideriegel und Milchmischgetränke. Ab und zu erlaubt sind Bananen, Dörrfrüchte, Weissbrot, Halbweissbrot, Laugenbrötli und Grissini. Chips, Schoggi und Cola aber sind des Teufels.
Fazit: Kinder sollen sich am besten von Vollkornbrot, Reiswaffeln nature, Obst (ausser Banane) und Gemüse ernähren.
Nichts überlassen die Ernährungsexperten dem Zufall, sogar für die Verpackung haben die Schulgesundheitsdienste eine Empfehlung: «Fruchtschnitze in Znünibox; Geschnittene Früchte in Klarsichtfolie».
Empfehlung: Salziges Popcorn
Ausserdem gibt es Flyer zu den Themen «Znüni und Zvieri: Leckere und gesunde Rezepte für die Schule und den Hort» sowie «Ideen für gesunde Geburtstags-Znüni». Empfehlung: Salziges Popcorn, Rosinenbrötchen mit 2 EL Zucker und ein Geburtstagssandwich mit Frischkäse, Karottenstreifen und Trockenfleisch.
Die Zürcher Behörden sind nicht die einzigen, die Eltern mit immer neuen Essvorschriften behelligen. In Aargauer Kindergärten und Schulen stehen Zopf und Gipfeli auf der roten Liste, ebenso im Kanton Luzern. Sogar bei den ganz Kleinen setzen die Gesundheitsapostel an: Immer mehr Spielgruppen und Krippen werben damit, «zahnfreundlich» zu sein – und versagen ihren Schützlingen weitgehend alle Produkte, die Zucker enthalten.
Fachleute stehen den immer strengeren Essvorschriften kritisch gegenüber: «Viele Eltern sind verunsichert und überfordert», sagt der bekannte Kinderarzt und Buchautor Remo Largo. «Die Institutionen sollen nichts verordnen, sondern mit den Eltern das Gespräch suchen. Einfach einen Flyer verteilen bringt nicht viel.» So sei zum Beispiel ein Problem, dass viele Kinder ohne Frühstück zur Schule kommen. Remo Largo: «Die Sorgen der Eltern sind heute viel ernster, als ob die Kinder jetzt Bananen essen oder nicht.»
«Die Ernährung geht den Staat nichts an.»
Auch der Berner Immunologie-Professor Beda Stadler hält nichts von strengen Znüni-Vorschriften: «An einer Banane ist gar nichts krumm. Sie schadet nicht.» Vielmehr sei die Menge entscheidend. «Es hilft nicht, bestimmte Lebensmittel zu verteufeln», sagt Stadler, «vor allem, wenn sie Kindern gut schmecken.» Derartige Znüni-Listen zerstörten die Lust der Kinder am Essen. «Die Ernährung geht den Staat nichts an.» Eltern hätten von sich aus Interesse, dass sich ihre Kinder gesund ernähren.
Genau das jedoch ist heute offenbar nicht mehr der Fall. Berater von Pro Juventute etwa berichten von Eltern, die nicht einmal die verschiedenen Gemüsesorten kennen.
«Bei den Eltern gibt es sehr grosse Unterschiede», sagt Susanne Stronski Huwiler, Leiterin des Schulärztlichen Dienstes der Stadt Zürich. Sie hat den Znüni-Flyer mitkonzipiert und weiss: «Viele sind an Informationen über eine gesunde Ernährung interessiert. Migrantenfamilien sind oft sehr verunsichert, welche Produkte für ihre Kinder gesund sind.»
Der Flyer sei entstanden, weil immer wieder Kinder sehr ungesunde Sachen zum Znüni mitgebracht hätten, Gummibärchen etwa oder Milchschnitten. Zudem seien in der Stadt Zürich rund 20 Prozent der Kinder übergewichtig.
Bananen sind schlecht für die Zähne
Die Ärztin räumt allerdings ein, dass die Einteilung der Lebensmittel in Gut und Böse auch Fachleuten Mühe bereitet: «Als Kinderärztin würde ich kein Problem sehen, wenn Kinder Bananen oder Dörrfrüchte essen», sagt Stronski Huwiler. «Laut Zahnärzten ist beides aber sehr schlecht für die Zähne.»
Der Zucker in den Bananen ist auch der Thuner Ernährungsberaterin Karin Sollberger suspekt. Eine Banane liefere nun einmal viel Energie. «Das kann bei übermässigem Verzehr sogar zu Gewichtsproblemen führen», sagt sie.
Ungesund wird es laut Sollberger, wenn Kinder zu einseitig essen. Das sei heute leider oft der Fall. Sie rät Eltern, gesundes, ausgewogenes Essen vorzuleben – und unterschiedliche Lebensmittel immer wieder anzubieten.
Ernüchternd ist allerdings eine unlängst veröffentlichte Studie des Bundesamts für Gesundheit. Demnach halten sich nur 0,2 Prozent der Schüler an alle vorgegebenen Ernährungsempfehlungen.
Die anderen 99,8 Prozent mampfen munter weiter ihre Bananen.
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