Die irre Welt des Denkmalschutzes – im Fall des Wohnhauses an der Salstrasse 20 in Winterthur ZH wird sie deutlich: Das alte Haus mit der rostroten Klinkerfassade aus dem Jahr 1896 darf abgerissen werden, obwohl es nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich schützenswert ist. Darüber berichtet der «Landbote» am Mittwoch. Der Heimatschutz hat damit einen jahrelangen Kampf gegen den Abriss verloren.
Verkehrte Welt indes in Effretikon ZH. Eine fleckige Fassade, Sichtbeton, wohin das Auge reicht und eine verschachtelte Architektur – das Schulhaus Watt in Illnau-Effretikon ist wahrlich keine Augenweide, baufällig und sanierungsbedürftig.
Dumm nur: Der Denkmalschutz hat da viel mitzureden, denn die Betonwüste steht im Inventar der Kulturdenkmäler des Kantons Zürich und kann darum nicht einfach so abgerissen werden. Und das sorgt in der Gemeinde für Streit.
Städtebaulicher Meilenstein?
Die einen sehen es nämlich wie René Truninger, SVP-Gemeinderat in Illnau Effretikon: «Das Schulhaus Watt ist nun wirklich nichts Schönes – mich erinnert die Bausünde an einen Plattenbau aus Sowjet-Zeiten», sagt er zu BLICK.
Andere bezeichnen dasselbe Gebäude als einen Bau «in den Farbtönen von Kies und Sand, die sich im täglich wechselnden Spiel von Licht und Schatten darstellen». Oder, wie der Denkmalschutz es sieht: Ein städtebaulicher Meilenstein zwischen ländlicher Idylle und der Verstädterung Effretikons.
Darum kommt ein Abriss des Gebäudes aus den 60er-Jahren auch nicht in Frage, vielmehr muss es für 20 Millionen Franken saniert werden. Für Truninger ein Schildbürgerstreich. «Nebst dem, dass wir hier einen wüsten Betonklotz vergöttern, kommt dessen Sanierung auch noch viel teurer zu stehen als ein moderner Neubau», sagt er.
Denn heute müssen öffentliche Gebäude behindertengerecht sein, höhere feuerschutzpolizeiliche Auflagen und auch energetische Standards erfüllen. «Dank dem Denkmalschutz müssen wir beim Schulhaus jetzt ein hässliches Flickwerk produzieren, statt mit einem Neubau kostengünstiger und effizienter einen zeitgemässen Bau zu erstellen», so Truninger.
«Es geht nicht darum, ob ein Haus schön ist»
Das Beispiel Effretikon ist für ihn kein Einzelfall: Der Denkmalschutz hintertreibe mit der Inventarisierung solcher Häuser die Siedlungsentwicklung in den Gemeinden systematisch. Doch aus Sicht des Denkmalschutzes gibt es bei vielen Bauten – von Perrondächern bis in sich zusammenfallende Schuppen – Grund, sie zu schützen.
Markus Pfanner, Sprecher der Baudirektion des Kantons Zürich, verteidigt den Denkmalschutz. «Ob ein Bauwerk schützenswert ist, hängt nicht davon ab, ob es schön oder besonders alt ist», sagt er. Es gehe darum, ob es eine besondere kunsthistorische, baugeschichtliche, architektonische, sozialgeschichtliche oder wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung habe.
Mit dem Resultat, dass Laien Gebäude hässlich finden, die der Kanton als besonders schützenswert einstuft.