Und wieder waren sie auf der Strasse, wieder haben sie die Schule geschwänzt: Tausende Jugendliche demonstrierten am Freitag in der ganzen Schweiz für besseren Klimaschutz. Mehr als 10 000 allein in Zürich, knapp 6000 in Bern, 5000 in Lausanne. Die Bewegung geht weiter.
Und doch: Die Teilnehmerzahlen stagnieren. Das wissen auch die Organisatoren der Proteste. Sie befürchten, dass sich die Kundgebungen bald abnutzen oder gar totlaufen könnten.
Vor zwei Wochen hielten sie ein nationales Strategietreffen in Bern ab. SonntagsBlick liegen interne Protokolle der Zusammenkunft vor. Sie zeigen, wie die Klimajugend ihre Bewegung neu ausrichten will. Um den Druck auf Politik und Wirtschaft zu erhöhen, sollen zu den Demos schweizweite Blockaden und Störaktionen hinzukommen. Ihr Motto: «Wir eskalieren.»
Teenager stürmten auf den Rasen des Stade de Suisse
Gemäss den Protokollen streben die Klimastreikenden Aktionen «mit wirtschaftlichem Schaden» an, etwa die Blockade von wichtigen Schweizer Verkehrsachsen oder gar Flughäfen. Einig sind sich die Jugendlichen, dass die Proteste weiterhin gewaltfrei bleiben sollen.
Einen Vorgeschmack auf Phase zwei der Bewegung boten die Klimaschüler am letzten Sonntag. Kurz nach dem Anpfiff des Fussball-Cupfinals zwischen Basel und Thun stürmten Teenager auf den Rasen des Stade de Suisse. Sie trugen T-Shirts und Transparente mit der Aufschrift «Alles staht ufem Spiel» oder «Es gibt keine Nachspielzeit». Sicherheitsbeamte zerrten die Platzstürmer vom Feld.
Dass aufsehenerregende Aktionen wie im Stade de Suisse stattfinden, hat viel mit der Klimaschutzorganisation Extinction Rebellion (Rebellion gegen das Aussterben) zu tun. Die 2018 in Grossbritannien entstandene Gruppe setzt auf zivilen Ungehorsam, wächst schnell und hat inzwischen weltweit Ableger – auch in der Schweiz. Mitte April besetzten Extinction-Rebellion-Aktivisten Brücken und Verkehrsknotenpunkte in London – die Polizei verhaftete mehr als 1000 Menschen.
Dringlichkeit erfordere neue Mittel
Die Vertreter der Schweizer Klimajugendlichen wollen sich nicht zu Details von bevorstehenden Aktionen äussern. Aktivist Dominik Waser (21) kündigt jedoch an: «Spätestens ab 2020 wird ein anderer Wind wehen.» Die Dringlichkeit der «Klimakrise» erfordere neue Mittel.
Dass sich Teile der Klimabewegung radikalisieren und zunehmend einen grundlegenden Systemwandel fordern, war auch an der Demonstration vom Freitag in Zürich zu beobachten. Auf der Bahnhofstrasse riefen die Schüler Parolen wie «A-Anti-Anticapitalista!» oder «Brecht die Macht der Banken und Konzerne!».
Und dann war da noch eine Parole, die als Ankündigung zu verstehen ist: «Streik in der Schule, Streik in der Fabrik, das ist unsere Antwort auf eure Politik!» Die Bewegung arbeitet auf einen Generalstreik hin. Am 27. September sollen sich den Jugendlichen auch Erwerbstätige anschliessen und ihre Arbeit niederlegen.
Weltweiter Generalstreik am 27. September
Ob das realistisch ist, weiss heute noch niemand. Ernst ist es den Klimabewegten allemal. Hinter den Kulissen versuchen die Jugendlichen, Gewerkschaften für ihr Vorhaben zu gewinnen. Doch die Arbeitnehmerorganisationen reagieren bisher zurückhaltend. «Wir unterstützen die Klimaaktivisten beim Organisieren von Kundgebungen», sagt Dore Heim vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, «es gibt aber ganz unterschiedliche Protestformen, die lange vor einem Generalstreik zum Zuge kommen müssen.» Auch bei der Unia gebe es zu diesem Thema zurzeit keine Diskussion.
So oder so dürfte der 27. September zu einem wichtigen Tag der globalen Klimabewegung werden. Namhafte Gruppierungen mobilisieren auf dieses Datum hin schon jetzt für den ersten «Earth Strike», einen weltweiten Generalstreik. Neben Extinction Rebellion sind auch die Klimaschüler um die Umwelt-Ikone Greta Thunberg dabei.
Die 16-jährige Schwedin ruft in einem neuen Manifest dazu auf, diesen Tag zu einem Wendepunkt in der Geschichte zu machen. «Es ist Zeit für uns alle, massenhaften Widerstand zu leisten. Wir müssen den Druck erhöhen, um sicherzustellen, dass der Wandel passiert.»
Es gehe darum, Linien zu überschreiten. Es gehe darum zu rebellieren, wo immer man rebellieren könne.
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