Die Steuersituation des Waadtländer Finanzdirektors sorgt seit gut drei Wochen für Polemik und für Schlagzeilen. Der «Tages-Anzeiger» und der «Bund» hatten die Steuerpraktiken von Regierungsrat Broulis aufgedeckt und ihm fragwürdige Steueroptimierungstricks vorgeworfen.
Broulis hatte den Vorwurf der Steueroptimierung umgehend von sich gewiesen. Er hatte aber auch versprochen, sich im Detail zuerst im Parlament erklären zu wollen. Dass er dann am Sonntag trotzdem ein ausführliches Zeitungs-Interview gab, verärgerte die Abgeordneten.
Die Emotionen schwankten in der Debatte vom Dienstagmorgen zwischen Ärger über die Deutschschweizer Presse und Misstrauen gegenüber dem Finanzminister. Vor einer für einmal voll besetzten Presse- und Zuschauertribüne sowie unter Applaus von Mitte-Rechts prangerte die Grünliberale Claire Richard die «mediale Lynchjustiz» an. Es sei höchste Zeit, diese Affäre respektive dieses «aufgebauschte Nichtereignis» zu den Akten zu legen.
Jean-Luc Chollet von der SVP zeigte sich schockiert über die «öffentliche Entblössung» eines Mitglieds der Kantonsregierung. Hier werde jemand mitsamt seiner Familie ohne bewiesene Fakten an den Pranger gestellt und der Öffentlichkeit zum Frass vorgeworfen.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sprach Jean-Michel Dolivo (Ensemble à Gauche) von einem «Vetrauensbruch» gegenüber dem Finanzminister. Die Antworten der Regierung auf die gestellten Fragen seien wenig überzeugend. Dolivo warf Broulis vor, er praktiziere Steueroptimierung, insbesondere mit den Abzügen in seinen Steuererklärungen. Gegenüber diesen Vorwürfen habe sich der Finanzminister uneinheitlich, konfus und widersprüchlich verteidigt.
Broulis habe keinen echten Willen gezeigt, Transparenz zu schaffen, kritisierte Stéphane Montangero (SP). Es blieben mehr Fragen als Antworten. Hadrien Buclin vom «Ensemble à Gauche» sagte, in seinen Augen gebe es keinen Zweifel, dass der Hauptwohnsitz von Broulis Lausanne sei, weil der Sohn des Finanzministers hier zur Schule gehe. Es sei deshalb nicht einzusehen, dass der Finanzminister seit 2011 zwei Drittel seiner Gemeindesteuern in Saint-Croix VD und nur ein Drittel in Lausanne zahle. Der Finanzminister spare durch diese Aufteilung mehrere tausend Franken Steuern pro Jahr und könne Fahrtkosten abziehen, die sehr hoch erschienen.
Das Steuerdossier des Waadtländer Finanzdirektors sei «gesetzeskonform» und nach dem «Prinzip der Gleichbehandlung» bearbeitet worden, sagte Regierungspräsidentin Nuria Gorrite (SP). Sie kündigte aber trotzdem eine doppelte Kontrolle der Steuererklärungen ihres Regierungskollegen an.
So sollen dessen Steuererklärungen der letzten Jahre einerseits durch das Finanzinspektorat geprüft werden, das dem Departement Broulis untersteht. Ausserdem sollen diese Unterlagen durch ein unabhängiges, ausserkantonales Gutachten beurteilt werden.
Dieses externe Gutachten will die Regierung (morgen) Mittwoch in Auftrag geben. Es soll von Xavier Oberson, Rechtsprofessor an der Universität Genf, erstellt werden. Er gilt als Experte für das Schweizer und das internationale Steuerrecht. Die Resultate der doppelten Steuerkontrolle sollen veröffentlicht werden.
Das Kantonsparlament hat den entsprechenden Entschluss mit 105 Ja zu 22 Nein bei 15 Enthaltungen gutgeheissen. Finanzminister Broulis zeigte sich einverstanden, volle Transparenz in seinem Steuerdossier zu schaffen. «Ich habe vor nichts Angst, ich habe nichts zu verbergen», versicherte Broulis.