Sterberisiko bis zu zwei Mal höher
Lassen Sie sich nicht im falschen Spital operieren!

Für komplizierte Operationen sind nicht alle Schweizer Spitäler gleich gut gerüstet. Eine neue Studie zeigt: Das kann dramatische Konsequenzen haben.
Publiziert: 27.08.2017 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:40 Uhr
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Ärzte fordern, dass nur noch ein paar wenige Spitäler hochkomplexe Operationen durchführen dürfen.
Foto: Keystone
Moritz Kaufmann

Erfahrung ist alles! In der Medizin sowieso. Das weist eine neue Studie nach, die in der Fachzeitschrift «Swiss Medical Weekly» erschienen ist.

Ein Team um den Krebsspezialisten Ulrich Güller (45) des Kantonsspitals St. Gallen hat Fälle von über 18’000 Patienten ausgewertet, die Hoch­risiko-Operationen über sich ergehen lassen mussten. Sie litten an Speiseröhren-, Magen-, Bauchspeicheldrüsen- oder Darmkrebs. Die Erkenntnis: Je nach Spital war das Sterberisiko nach der OP teilweise doppelt so hoch!

Die Studie teilt die Krankenhäuser in «Hochvolumen-» und «Tiefvolumen-Spitäler» ein. Manche haben viel Erfahrung mit komplizierten Eingriffen. Andere sind weniger gut ausgerüstet und behandeln nur eine Handvoll Fälle pro Jahr. Ein Unterschied mit dramatischen Folgen: Die postoperative Sterblichkeitsrate bei Bauchspeichel­drüsenkrebs liegt in Tiefvolumen-Spitälern bei 5,4 Prozent – in Hochvolumen-Spitälern nur bei zwei Prozent.

Vergleich zum Tennis-Training von Roger Federer

Ähnlich sind die Ergebnisse bei den anderen untersuchten Krebsarten. «Zum ersten Mal in der Schweiz konnten wir nachweisen: Hochrisiko-Operationen sollten am besten in Spitälern mit viel Erfahrung durchgeführt werden», sagt Studienleiter Ulrich Güller. «Das ist hochbrisant und sollte uns zu denken geben.»

Güller zieht einen Vergleich zum Tennis: «Roger Federer wurde nicht die Nummer eins, indem er alle zwei Wochen eine Stunde auf dem Tennisplatz stand, sondern weil er täglich viele Stunden trainiert und ein Team von Profis um sich hat.»

Gegenüber SonntagsBlick gibt Güller nicht an, in welchen Spitälern die Sterblichkeitsrate hoch liegt. Für ihn ist aber klar: «Wir sollten in der Schweiz Hochrisiko-Operationen zentralisieren – zum Wohle des Patienten.» Mit anderen Worten: Nur noch wenige spezialisierte Spitäler sollten solche Eingriffe durchführen dürfen.

Spitäler warnen vor Eingriff in die Grundversorgung

Auch die Politik hat das Problem im Blick. Die Studie ist Thema bei der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Sie hat bereits eine interne Liste mit Spitälern erstellt, die weiterhin Hochrisiko-Operationen durchführen dürfen sollen. Doch, so der Glarner Gesundheitsdirektor Rolf Widmer (46), der die Gruppe für hochspezialisierte Medizin ­präsidiert: «Einige Spitäler argumentieren, dass man damit in die Grundversorgung eingreift.» Einige zögen sogar vor Gericht.

Deshalb ist erst im Herbst klar, welche Spitäler auf der Liste stehen. Gesundheitspolitiker verlangen von Spitälern mindestens zwölf Hochrisiko-Eingriffe pro Jahr. In Fällen von Bauchspeicheldrüsenkrebs würde das bedeuten, dass noch etwa 20 Spitäler in der Schweiz operieren dürften.

«Zwölf Bauchspeicheldrüsenkrebs-Operationen sind zu wenig»

Das seien immer noch viel zu ­viele, findet Studienautor Güller: «Wie in zahlreichen wissenschaftlichen Studien gezeigt wurde, ist eine Mindestfallzahl von nur zwölf Bauchspeicheldrüsenkrebs-Operationen pro Spital und Jahr deutlich zu wenig für optimale Resultate.»

Betroffenen Patienten rät er, Informationen darüber einzuholen, wie oft die unterschiedlichen Spitäler in vergleichbaren Fällen operieren. Und sich entsprechend einweisen zu lassen.

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